Tierschützer demonstrieren gegen Zirkus:Großer Applaus und lauter Protest

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Der "Circus Alberti" erlebt bei seinem Gastspiel in Grafing ein dankbares Publikum, aber auch ein paar radikale Tierschützer.

Christian Hufnagel

Wer für diese klassische Form der Live-Unterhaltung im multimedialen Konsumzeitalter Menschen anlocken will, muss natürlich mit Superlativen aufwarten: Auf "Europas größten Film-Bären" soll das Publikum gespannt sein. Als vierte Nummer tritt also das imposante Tier auf, und Dompteur Harry Franceso hat ihm sicherlich Staunenswertes beigebracht.

Auch Tierdressuren sind ein Teil des Programms - das hat Kritiker auf den Plan gerufen. (Foto: Christian Endt)

"Big Grizzly " fährt wie ein Menschenkind Roller. Seine Tatzen auf dem Lenker, ein Fuß auf dem Brett, schiebt er mit dem anderen an - und damit sich und seinen schweren Körper durch das mit Sägemehl ausgefüllte Rund. Applaus brandet auf, als er auf allen Vieren aus der Manege trottet. Der Star des "Circus Alberti" hat die vor allem jungen Zuschauer, an die 150 sind es insgesamt an diesem verregneten Samstagnachmittag, beeindruckt: Das hätte er sich nicht vorstellen können, bekennt ein neunjähriger Bub später: "Das Beste war der Bär."

Dabei kann der Wanderzirkus bei seinem Gastspiel in Grafing wirklich alle Emotionen, auf die dieses Künstler-Genre abzielt, befriedigen. Es müssen keine Sensationen sein, es genügt auch professionell anmutende Beherrschung des Handwerks als Dompteur, Akrobat, Artist oder Clown, damit das Publikum aus dem Staunen, Lachen und Atem-Anhalten nicht mehr herauskommt.

Wenn ein Affe auf einem Kamel reitet, ein Lama durch deren Höcker springt und ein pechschwarzes Pferdepaar Walzer tanzt, sind das eben gute Dressurnummern zum Schmunzeln. Und wenn eine Artistin mit einem Bein graziös an einem schwebenden Ring unterm Zeltdach hängt oder ein Messerwerfer den Kopf seiner Assistentin mit sechs Dolchen einrahmt, dann hält man noch immer unwillkürlich die Luft an. Und dann ist ein wenig von jenem "Zauber" und jener "Nostalgie" zu spüren, die einem am Anfang der gut eineinhalbstündigen Show versprochen worden ist.

Dass der Zirkus heute indes nicht nur wegen der großen Unterhaltungskonkurrenz ein schwieriges Geschäft ist, sondern sich mit einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit auseinandersetzen muss, wird in der Pausen-Ansprache des Direktors deutlich. Wolfgang Frank klärt das Publikum über die monatlichen Kontrollen durch Veterinäre auf und lädt die Grafinger dazu ein, sich bei einem Rundgang von der "artgerechten Tierhaltung" zu überzeugen.

Das scheint angebracht, denn so mancher Erwachsene mag zwar aus nostalgischen Gründen - und "wegen der Kinder" - gekommen sein, artikuliert aber im Gespräch dennoch ein schlechtes Gewissen: Sie sei eigentlich für Zirkus ohne Tiere, bekennt eine Mutter, sei aber nun positiv überrascht. Gleichwohl gehört für sie "Big Grizzly" in die Wildnis. Auch eine andere Mutter war "hin- und hergerissen", ob sie die Vorstellung mit ihren Söhnen besuchen soll. Ihre Zweifel sind inzwischen zerstreut: "Das ist kein abgerissener Wanderzirkus. Die haben ihre Tiere in Schuss", lautet ihr Urteil.

Wolfgang Frank werden solche Reaktionen freuen. Erst am Vorabend bei der Premiere in Grafing hatte er wieder einmal ganz anderes erlebt. Zwei, drei radikale Tierschützer haben in einer angemeldeten Demonstration vor dem Eingang, wie die Ebersberger Polizei bestätigt, lautstark protestiert. Sie hätten ein Megafon benutzt und während der ganzen Vorstellung Parolen wie "Tierquäler" gerufen: "Das war ein bisschen zu viel", sagt der Zirkusdirektor, der diese Störungen schon fast gewohnt ist, sich gegen diese Agitation aber machtlos fühlt: "Dagegen gerichtlich vorgehen, das bringt nichts. Das dauert ewig."

So kann er wohl froh sein, dass die radikalen Demonstranten nicht in der Vorstellung waren. Im Gegensatz zum restlichen Publikum hätten sie vermutlich wenig über die Clown-Nummer von Jesse James gelacht. Der Hund des fünfjährigen Buben weigert sich nämlich, durch einen Ring zu hupfen. Auch nach der x-ten Aufforderung durch sein junges Herrchen bleibt er stur davor sitzen. Da gibt es nur eine Lösung: Ein Tritt in den Hintern befördert ihn in hohen Bogen durch das Hindernis. Lacher und heftiger Applaus für den kleinen Pausenclown, der sich artig verbeugt und zufrieden aus der Manege trollt - in der Hand sein unversehrtes Stofftier.

Circus Alberti, Grafing, Bürgermeister-Schlederer Straße, Montag, 29. August, 15 Uhr. Weitere Vorstellungen in Hohenlinden von Freitag bis Sonntag, 2. bis 4. September.

© SZ vom 29.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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