Gut Spielberg:Familienbetrieb im Niemandsland

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Schon um das Jahr 950 war der Weiler Spielberg bei Glonn besiedelt, heute züchten die Niedermairs hier Sportpferde und Angusrinder.

Anja Blum

Manchem mag es wie die Hölle auf Erden erscheinen, für Georg Niedermair ist es das Paradies: das Leben in der Einöde. "Es ist einfach gigantisch, vor allem diese Ruhe", sagt er. Und jeden Morgen, wenn man aus dem Fenster schaue, blicke man in sein eigenes Tal hinab.

Ein stattliches landwirtschaftliches Anwesen im Dreiländereck: das Anwesen Spielberg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Tatsächlich ist es ein wundervolles Fleckchen, das sich die Familie Niedermair da ausgesucht hat: Spielberg, ein stattliches landwirtschaftliches Anwesen im Dreiländereck zwischen den Landkreisen Ebersberg, Rosenheim und München, hat nicht nur viel unberührte Natur und eine malerische Landschaft zu bieten, sondern auch eine lange, bewegte Geschichte. Der Glonner Ortschronist Hans Obermair, der mit den früheren Besitzern Spielbergs, der Familie Loidl, verwandt ist, wird am Montag, 15. November, um 19.30 Uhr in der Glonner Klosterschule beim Kulturverein davon berichten.

Die erste Erwähnung Spielbergs stammt aus dem Jahr 950, Obermair, der sich leidenschaftlich in die Recherche gestürzt hat, geht allerdings davon aus, dass die Einöde um einiges älter ist. Möglicherweise gehe der Name sogar auf die Römer zurück - von "specula", dem "Spähberg". "Oder der Ort war einmal tatsächlich eine Art Turnierplatz, so dass die Bezeichnung von ,spielen' kommt", mutmaßt der Heimatkundler.

In Kriegszeiten jedenfalls hätten die Bürger das abgelegene Anwesen sehr geschätzt, weil man dort sicher gewesen sei. Und auch die Haberer hätten Spielberg immer wieder als Sammelplatz für ihr Treiben in der Region ausgewählt. "Hier war nicht mit Gendarmen zu rechnen, weil sich niemand so recht zuständig gefühlt hat", erklärt Obermair. 1939 habe ein Chronist festgehalten, dass Spielberg zur Gemeinde Höhenrain gehöre, zur Pfarrei Egmating, zur Schule Helfendorf, zum Begräbnis nach Münster und zur Post nach Glonn. Echtes Niemandsland also.

Heute zählt der kleine Ort zum Landkreis München. Die fünfköpfige Familie Niedermair lebt seit 1985 auf Gut Spielberg, vor zwei Jahren hat sie den Hof gekauft. "Man ist schnell in Glonn, München oder Rosenheim, und man hat hier einfach Platz, sich zu entfalten", schwärmt Vater Martin Niedermair, der seit Jahrzehnten eine sehr erfolgreiche Sportpferdezucht betreibt. Außerdem haben sich die Niedermairs neben der Forst- und Grünlandwirtschaft auf die Zucht von Angusrindern spezialisiert. Sohn Georg kümmert sich um den ganzen Betrieb und die Direktvermarktung, die er gerne noch ein bisschen ausbauen möchte.

Ansonsten sei jetzt, nachdem ein neuer Stall gebaut und vieles im Außenbereich neu angelegt wurde, alles "tippi toppi". Georgs Frau Kati Niedermair richtete sich ein Kosmetikstudio ein, im alten Kuhstall finden sommerliche Hochzeiten statt, und auch im ehemaligen Bierkeller, einem imposanten Gewölbe, das glitzernde Discokugeln und Bartresen zieren, können Feste gefeiert werden. Wobei sich in diesem Punkt die sonst so einhellig wirkenden Familiengeister zu scheiden scheinen: Vater Martin hat kein Verständnis für späte, laute Besucher und dröhnende Technomusik, Sohn Georg schüttelt angesichts dessen nur lachend den Kopf.

Viele Gäste und gute Stimmung - das wäre auf dem Gut sogar Tradition: Um 1860 wurde hier eine Brauerei samt Gasthaus gegründet, und bis 1934, so lange die Loidls das Anwesen in ihrem Besitz hatten, war Spielberg laut Obermair eine beliebte Einkehr - nicht nur für die Glonner, sondern auch für viele Münchner. Selbst ganz begeistert, zeigt der Heimatkundler mehrere alte Fotografien: eine große Gruppe Frauen beim Kaffeeklatsch aus dem Jahr 1895, ein Familienfoto von 1905 samt zweier Fahrräder - laut Obermair die Statussymbole der Zeit - und eine Gesellschaft von 1917. Darauf, so vermutet der Heimatforscher, seien sogar die Glonner Schriftstellerin Lena Christ und ihr Bruder zu sehen.

Martin und Georg Niedermair lauschen den Ausführungen Obermairs gespannt. Sie wissen um die Geschichte ihrer kleinen Heimat und die daraus erwachsende Verantwortung, pflegen das alte Gemäuer und die Natur in diesem Bewusstsein. Vater Martin geht sogar hin und wieder ins Spielberger Moor, aus dem sich der Kupferbach speist, um nach dem Fischbestand zu sehen - ein riskantes Unterfangen. "Ach was, ich laufe auf dem umgefallenen Schilf, das geht schon", wischt er die Bedenken beiseite. In einem Punkt allerdings stößt die Traditionspflege der Niedermairs an ihre Grenzen: "Ich wurde schon oft gefragt, ob ich nicht die Brauerei wieder aufmachen will", erzählt Sohn Georg. Doch danach stehe ihm nicht der Sinn. "Zum Wirt muss man geboren sein", meint er.

© SZ vom 13.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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