Ebersberg: Biesler-Streit spitzt sich zu:Ein dringendes Bedürfnis

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Wut über das Biesler-Foto vor Alpenkulisse: Trachtler fühlen sich kollektiv beleidigt, darüber wiederum ist die Bank sauer, die den Kalender herausgab. Und die Öffentlichkeit? Die schmunzelt.

Rita Baedeker

Einer der Äbte von Kloster Metten in Niederbayern soll nach einem Konzert in seiner Kirche gesagt haben: "Diese Messe ist zum Bieseln schön." Mit dieser im Bairischen nicht unüblichen Redewendung hat er in einem einzigen Satz zwei einander widerstrebende Prinzipien auf einen Nenner gebracht: das Sakrale und das Profane, das Schöne und das Notwendige.

"Zum Bieseln schön" - angesichts dieser Landschaft kann man sich schon mal vergessen. Selbst wenn man ganz ordentlich in Lederhose und Trachtenjacke steckt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kann sein, dass auch der Mann in festlicher Tracht auf dem September-Bild des neuen Kalenders "Brauchtum und Heimat" ähnlich fühlt, wenn er angesichts der zum Bieseln schönen Landschaft mit Blick auf die Alpen einem dringenden Bedürfnis nachgibt. Den Kalender haben übrigens die Raiffeisen- und Volksbanken im oberbayerischen Kreis Ebersberg herausgegeben.

Walter Weinzierl, Vorstand des Bayerischen Inngau-Trachtenverbands, findet diese Szene aber gar nicht schön. Ihn ärgerte das Foto mit der Bildunterschrift "Randnotiz mit Alpenpanorama" des Fotografen Peter Hinz-Rosin. Die optische "Randnotiz", deren Stimmung der Fotograf leicht und meditativ fand, machte Weinzierl so wütend, dass er einen geharnischten Brief an die Bank mit Kopie an alle Trachtenvereine im Landkreis schrieb. 13.000 Inngau-Trachtler und Trachtlerinnen, so Weinzierl, seien beleidigt worden.

Antwort wird er wohl nicht bekommen. Wolfhard Binder, Sprecher des Kreisverbands der Raiffeisen- und Volksbanken, ist sauer. Statt ihn anzurufen, so Binder, habe Weinzierl den Brief gleich allen Trachtenvereinen und -verbänden in München und Ebersberg zugeschickt. Besonders aber ärgert sich Binder über Weinzierls Bemerkung, die Trachtler sollten darüber nachdenken, was sie von einer Werbung halten, die sie - sofern Kunden der Bank - mit Anteilen und Kontogebühren selbst finanzierten. Weinzierl vergesse, dass die Raiffeisen- und Volksbanken die Trachtler stets großzügig unterstützt hätten.

Schon scheint ein Kulturkampf zu nahen. Markus Krammer, Ebersbergs Kreisheimatpfleger, findet die Angelegenheit sogar "krachert und frivol". Ein solches Foto zu veröffentlichen, sei eine typische Randerscheinung des "Holodrio-Bayerntums", schimpft er und erinnert an Entgleisungen in der volkstümlichen Musik. "Der Bayer an sich wird hier beschädigt." Ernst Zimmermann, Kreisvorsitzender der Trachtenvereine Ebersberg, will, bevor er Stellung bezieht, lieber die nächste Versammlung Anfang März abwarten, um Reaktionen zu sammeln. So angespannt ist die Lage schon.

Einer aus dem Kreis der angeschriebenen Trachtler ist allerdings nicht beleidigt. "Sowas kann man nur mit Humor nehmen", sagt Johann Grasberger, zweiter Vorstand im Trachtenverein Atteltaler in Aßling. Er sei zwar nicht begeistert, wenn Trachtler als Leute hingestellt werden, die "in die Landschaft brunzen". Das Ganze sei aber von allen Seiten unglücklich gelaufen. "Ich finde die Aktion übertrieben." Auch bei sueddeutsche.de und auf Facebook löste das Thema ein geteiltes Echo aus. "Ich hätte den ungeniert pieselnden Typen bestimmt nicht gerne vier Wochen an der Wand", heißt es da. Ein anderer bemüht den ökologischen Aspekt: "Da verseuchen wir unsere Umwelt, ja auch die bayerische, Tag für Tag mit hochgefährlichen Giften, aber regen uns über einen Biesler auf."

© SZ vom 30.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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