Chance für vernächlässigte Tiere:Knapp zwei Euro für ein Kilo Pferd

Lesezeit: 3 min

Das Veterinäramt hat einer Frau sechs Tiere entzogen, weil sie nicht artgerecht gehalten wurden. Bei einer Versteigerung finden nur zwei von ihnen ein neues Zuhause, das Schicksal der Übrigen ist ungewiss

Nadia Pantel

- Shalina legt den Kopf ein wenig schräg, ihre langen Wimpern streifen eine Strähne, die ihr in die Stirn fällt. "Wer will die Shalina haben? Niemand?" Der Auktionator wird ungeduldig, Shalina schaut zu Boden. Doch keine Hand hebt sich. Sechs Pferde werden an diesem Freitag auf dem Schrankenschneiderhof durch das Finanzamt versteigert. Das Veterinäramt hat die Pferde ihrer ehemaligen Besitzerin entzogen, da sie die Tiere nicht artgerecht hielt. Nun sollen die Pferde geeignetere Besitzer finden.

Im Vorfeld der Versteigerung hatte es viel Aufregung gegeben. "Bei uns sind Hunderte Mails und Anrufe von Tierschützern und Pferdefreunden eingegangen", erzählt Amtstierärztin Monika Stuible. Viele hatten Sorge, dass die Tiere vom Schlachter gekauft werden könnten. Doch nun steigern weder Metzger noch Tierschützer. Mit zwei Polizeiwagen, viel Absperrband und fünf Ordnern in Warnweste wollte das Landratsamt vor Ort auf einen möglichen Besucheransturm vorbereitet sein. Gekommen sind gut 40 Leute, zehn von ihnen lassen sich als Bieter registrieren. Das Absperrband wird unauffällig wieder eingerollt. Mitbieten kann nur, wer sich verpflichtet, das Pferd im nächsten halben Jahr nicht weiterzuverkaufen und das Veterinäramt die Haltung kontrollieren lässt. So soll sichergestellt werden, dass die Tiere nicht von einer ungünstigen Lage in die nächste rutschen. Zudem wurde pro Pferd ein Mindestpreis festgelegt, der deutlich über dem Schlachtpreis liegt. Also ca 1, 80 Euro pro Kilo Pferd, statt ein Euro. So soll ausgeschlossen werden, dass der Kauf sich für Metzger lohnen könnte.

Für das kleine Pony Räuber müssen nach diesen Berechnungen mindestens 150 Euro geboten werden. Während Räuber brav an einer Leine im Kreis trabt, steht Katrin Goller-Engelberger vom Veterinäramt auf einer Bierbank und preist den Bietern das Pony als ein Tier mit "korrektem Exterieur und netten Bewegungen" an. Der Auktionator stellt die entscheidende Frage: "Wer bietet 150 Euro?"Ein orangenes Kärtchen wird zögerlich in die Höhe gestreckt. "160?" - kein Kärtchen. "150 zum ersten, zum zweiten, zum dritten - verkauft". Ein Freudenschrei, Gelächter, Applaus und sogar ein Jauchzer: Zwei Freundinnen fallen sich in die Arme. Sie haben bereits gemeinsam ein Pony, Räuber wollen sie "als Spielgefährten" dazu stellen. Dass die Namen der Käufer anonym bleiben - auch das gehört zu den aufwendigen Regularien dieser Versteigerung. Die eine der zwei jungen Damen wischt sich vor Freude und Aufregung eine Träne aus dem Augenwinkel. Sie war noch nie auf einer Versteigerung und geht nun direkt mit einem Pony nach Hause. "Wir sind heute gekommen, weil wir sicher gehen wollten, dass die Tiere nicht in die falschen Hände geraten", sagt sie und ihre Freundin fügt hinzu: "So günstig kriegt man sonst ja kein Pferd."

Doch der geringe Preis hat Shalina nicht geholfen. Das Mindestgebot von 700 Euro wurde nicht erreicht, obwohl der Marktwert der Stute auf 1 400 Euro geschätzt wurde. Sie sei ja schon interessiert, sagt eine Besucherin nach Ende der Versteigerung zu Sandra Rehmsmeier, Leiterin der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Gemeinden im Landratsamt, aber sie könne sich doch nicht für ein Pferd entscheiden, dass sie nur von weitem im Kreis hat laufen sehen. Doch nicht nur daran scheitert die Versteigerung. Tatsächlich sind einige der Tiere schlicht schwer zu vermitteln. So steht in der amtlichen Einschätzung des vierjährigen Hengstes Harlekin, er sei absolut "roh". Was bedeutet, dass er nicht eingeritten wurde. Somit leiden die Pferde noch heute darunter, dass ihre erste Besitzerin sie ein Stück weit verwildern ließ.

"Ich hatte gehofft, dass heute alle Pferde ein neues zu Hause finden", sagt Rehmsmeier, die die Versteigerung mitorganisiert hat. Dass außer Pony Räuber nur ein weiteres Pferd verkauft wurde, enttäuscht sie. Was nun mit den vier übrig gebliebenen Pferden geschieht, ist noch nicht entschieden. "Wir werden die jetzt nicht ins Landratsamt reiten", sagt Rehmsmeier auf besorgte Nachfrage. Vorerst wird das Veterinäramt weiter für die Versorgung der Tiere aufkommen und sie werden auf dem Schrankenschneiderhof bleiben.

Eine Neuigkeit die Simone Hudler, die ein eigenes Pferd hier stehen hat, erleichtert. In den fünf Wochen, die die Pferde nun schon in Schrankenschneider sind, hat sie ihr Herz an den schwarz-weiß gescheckten Hengst Mad Max verloren. Als er den Bietern vorgeführt wird, hat auch sie eine orangefarbene Karte in der Hand gehalten. "Ich will sicher sein, dass er wenn, nur an gute Halter verkauft wird", sagt die 22-Jährige, "ich kann den nicht fünf Wochen pflegen und füttern und dann zulassen, dass er an den Schlachter verkauft wird." Als klar ist, dass bei dieser Versteigerung nur private Pferdehalter mitsteigern, schreitet Hudler nicht zur Rettung. Denn egal wie günstig der Kaufpreis ist, die Haltung ist teuer.

© SZ vom 17.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: