Aufarbeitung der Vergangenheit:Staatsfeind 27 690

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Markt Schwabener Gymnasiasten präsentieren ihr neues Projekt "Namen statt Nummern" zur Aufarbeitung der Nazi-Zeit. Dafür haben sie die Schicksale von neun KZ-Häftlingen recherchiert

Von Karin Kampwerth

Martin Führer aus Kirchseeon trug die Nummer 27690. Ernst Schüßler aus Markt Schwaben haben sie die Zahl 7854 in den Unterarm tätowiert. Beide Männer wurden Opfer der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie - weil sie sich dieser nicht anschließen wollten. Dafür wurden sie im Konzentrationslager in Dachau interniert. Die Schicksale von Martin Führer, Ernst Schüßler und von sieben weiteren Männern und Frauen haben Abiturienten des Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasiums recherchiert. Sie haben den Menschen, denen die Nazis ihre Persönlichkeit raubten und stattdessen Nummern in ihre Haut ritzten, ihre Namen wiedergegeben und mit ihrer Arbeit auch ein Gesicht.

"Namen statt Nummern" ist auch der Titel des neuen Projektes, das sich nach der vierteiligen Reihe "Vergessener Widerstand" in einer neuen Form der Aufarbeitung des Dritten Reichs widmet. Die Schüler präsentieren ihre Recherchen und die daraus entstandenen Gedenkblätter am Mittwoch, 24. April, um 19.30 Uhr in der Aula des Gymnasiums. Dazu wird auch Sabine Gerhardus vom Dachauer Forum erwartet. Der Verein begleitet die Schüler-Arbeiten wissenschaftlich. Beteiligt ist darüber hinaus der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV), der innerhalb des Projektes "Namen statt Nummern" Schulen dazu aufgerufen hat, die Schicksale jüdischer Lehrer in Bayern während der NS-Zeit zu recherchieren. Dafür sind die Markt Schwabener Gymnasiasten ausgewählt worden. Die Arbeiten werden in die gleichnamige Dauerausstellung in der Gedenkstätte Dachau integriert.

Betreut hat die Recherchen wieder der Markt Schwabener Geschichtslehrer Heinrich Mayer in einem wissenschaftlichen Seminar, in dem die Schüler auch ihre Seminararbeiten verfassten. Die Aufgabenstellung sei jedoch einem Zufall zu verdanken gewesen. Der BLLV hatte eine Broschüre an die Schulen verschickt, auf die Mayer im Lehrerzimmer gestoßen war. "Die habe ich durchgelesen und uns dafür beworben", erinnert er sich. Nach vier Folgen des Projektes "Vergessener Widerstand", das sich mit Menschen aus Markt Schwaben und Umgebung befasst hatte, die sich dem nationalsozialistischen Regime nicht beugen wollten und das als Wanderausstellung mit Gedenktafeln konzipiert war, habe ihn eine andere Form gereizt, sagt Mayer. Waren die vorherigen Projekte von der Weiße-Rose-Stiftung gefördert worden, haben die Schüler, die im Mai ihr Abitur ablegen werden, nun mit dem Dachauer Forum und dem BLLV zusammengearbeitet. Dass auch Menschen aus dem Landkreis mit in die Arbeiten aufgenommen worden sind, begründet Mayer mit dem lokalen Aspekt, den er berücksichtigen wollte.

In der Recherche gleicht "Namen statt Nummern" seinem Vorgänger. "Wir hatten die Nummer von Ernst Schüßler, seinen Namen, zwei Akten und sein Geburtsdatum", erzählt Frederic Zaus. Der 18-jährige Gymnasiast aus Markt Schwaben erforschte das Schicksal des Markt Schwabeners gemeinsam mit Dominik Fuchs (18) aus Poing. "In Dachau sind wir gar nicht fündig geworden", erinnert sich Zaus. Lediglich eine kleine Randnotiz habe es in einem riesigen Aktenberg gegeben. Die habe sie aber immerhin an seine letzte Adresse in München geführt. "Seine Frau lebte da noch, allerdings was sie sehr dement", sagt Zaus. Von deren Pflegerin erhielten die beiden Abiturienten die Adresse einer Nichte. "Sie und ihr Mann haben unglaublich viele Akten von damals", erzählt Zaus weiter. Und das Ehepaar hätten tatäschlich viel über Schüßlers Schicksal erzählen können. Inhaftiert sei er worden, weil er als Kommunist gegolten habe. Wie Martin Führer der KPD-Mitglied war. Dass Führer und Schüßler in der Gedenkstätte künftig wieder ein Gesicht bekommen, ist den Markt Schwabener Schülern zu verdanken. Gedenkblätter widmen die Abiturienten darüber hinaus dem Markt Schwabener Franz Vinzenz sowie den jüdischen Lehrern Dr. Ernst Ehrentreu, Heinemann Edelstein, Dr. Bruno Finkelscherer, Dr. Siegmund Rindskopf und Dr. Elisabeth Ehrlich sowie dem italienischen Partisanenkämpfer Riccardo Gruppi.

© SZ vom 20.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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