Drohende Revolution:Muss die Biergarten-Brotzeit draußen bleiben?

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Die Bayern hängen an ihren Traditionen - und an der Biergartenverordnung. Wozu die Münchner fähig sind, falls jene angetastet wird, zeigten die legendären Biergarten-Proteste vor zehn Jahren. Neues Ungemach scheint zu drohen: Das Mitbringen der Brotzeit soll verboten werden.

Katharina Boehringer

Ein Biergarten ist nur dann ein Biergarten, wenn dort auch der mitgebrachte Radi, die Radieschen und der Emmentaler gegessen werden dürfen. So heißt es in der Bayerischen Biergartenverordnung:

Die Brotzeit für den Biergarten gehört gerade bei Ausflüglern seit Jahren in den Rucksack. (Foto: Foto: Lutz-Temsch)

"Kennzeichnend für den bayerischen Biergarten im Sinne der Verordnung sind vor allem zwei Merkmale: - der Gartencharakter und - die traditionelle Betriebsform, speziell die Möglichkeit, dort auch die mitgebrachte, eigene Brotzeit unentgeltlich verzehren zu können, was ihn von sonstigen Außengaststätten unterscheidet."

Auch, wie wichtig diese Form der Gaststätte ist, ist in der Verordnung vermerkt:

"Biergärten erfüllen wichtige soziale und kommunikative Funktionen, weil sie seit jeher beliebter Treffpunkt breiter Schichten der Bevölkerung sind und ein ungezwungenes, soziale Unterschiede überwindendes Miteinander ermöglichen. Die Geselligkeit und das Zusammensein im Freien wirken Vereinsamungserscheinungen im Alltag entgegen. Sie sind vor allem für die Verdichtungsräume ein ideales und unersetzliches Nahziel zur Freizeitgestaltung im Grünen. Sie sind regelmäßig gut zu erreichen und bieten gerade Besuchern mit niedrigem Einkommen und Familien, insbesondere durch die Möglichkeit zum Verzehr mitgebrachter Speisen, eine erschwingliche Gelegenheit zum Einkehren."

Ein Schreckensszenario also, das eine Münchner Zeitung gestern in den Wintermorgen gemalt hat: Im nächsten Sommer sollte es aus sein mit Geselligkeit, Radieschen, Rettich. Nicht vorstellbar, welche Auswirkungen das nach sich ziehen würde (Vereinsamung!).

Und alles wegen der Steuer: Denn während die Leberkässemmel im Laden nur mit sieben Prozent Mehrwertsteuer belastet wird, muss der Gast in der Wirtschaft bisher 16 Prozent drauf zahlen.

Steigt die Mehrwertsteuer nun, wie von der neuen Bundesregierung angekündigt, auf 19 Prozent, fürchten die Wirte um ihre Einnahmen. Die ohnehin nicht ganz billigen Speisen würden dann im Gastronomiebetrieb noch mehr kosten, während es im Lebensmittelhandel bei sieben Prozent Besteuerung und dem alten Preis bliebe.

Wirte-Präsident Wiggerl Hagn hat im Gespräch mit der SZ mittlerweile versprochen, dass das nicht passieren wird. Er betont aber gleichzeitig, dass die Gastronomie-Betriebe schon seit Jahren um eine Senkung des Steuersatzes kämpfen, um dieses Ungleichgewicht zu beheben.

Vielleicht wird diese Forderung bald erfüllt: Heute berieten die EU-Finanzminister in Brüssel über eine Mehrwertsteuer-Reduktion für arbeitsintensive Dienstleistungen, unter anderem auch für die Gastronomie. Die Verhandlungen wurden aber vertagt und auf das Gipfeltreffen der EU-Regierungschefs nächste Woche verwiesen. Der Grund: Dänemark und Deutschland blockierten eine Einigung.

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