Die Isar:Ein gezähmter Wildfluss entwickelt wieder Temperament

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Die Isar, Oberbayerns Paradefluss, darf nach langen Verhandlungen zwischen Wolfratshausen und München mäandern

Sabina Dannoura

Der Name der Isar ist keltischen Ursprungs und bedeutet ,,die Reißende''. Sie entspringt im Karwendel und durchfließt vier Landkreise: Bad Tölz-Wolfratshausen, München, Erding und Freising. Mit welchen Schwierigkeiten Menschen zu kämpfen haben, die am Fluß leben, zeigen die folgenden Szenen.

Nadelöhr Bad Tölz

Spiegelblank liegt der Sylvensteinsee an diesem Oktobertag da, gesäumt von Bergen. Kaum zu glauben, dass sich hier im August 2005 dramatische Szenen abgespielt haben. Würde der See - seit 1959 Isar-Talsperre - Bad Tölz, München und Freising vor Hochwasser schützen können? ,,Da wird es einem zweierlei, wenn der Speicherpegel pro Stunde um einen Meter steigt'', erinnert sich Peter Hohenreiter, Betriebsleiter des Sylvensteinspeichers, der vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim betreut wird.

Hohenreiter und Amtschef Peter Frei mussten damals die Warnung des Deutschen Wetterdienstes bewerten, und die lag weit unter der tatsächlichen Regenmenge, die dem See über acht Stunden hinweg einen Zulauf von 900 Kubikmetern pro Sekunde bescherte.

Das Problem der Wasserwirtschaftler: Sie waren sich nicht sicher, wie viel Wasser der Speicher zurückhalten konnte. Würde Bad Tölz bei einer Öffnung des Sees überflutet? Eine schwierige Entscheidung. Das Wasser stieg weiter, und schließlich musste der volle Speicher Wasser ablassen. Die Isar rauschte mit einer Rekordwassermenge von 650 Kubikmetern pro Sekunde durch Tölz, ufernahe Viertel standen unter Wasser. Die Nerven lagen blank, bei Wasserwirtschaftlern und Isaranliegern, die bei Hohenreiter und Frei ihre Wut ausließen.

Frei sieht seine Entscheidung aber durch eine Analyse der TU München bestätigt. Sie bescheinigt dem Amt, dass es über 90 Prozent des Hochwasserrückhalteraums genützt hat. Eine Konsequenz hat das Umweltministerium gezogen: Der Pegel des Sees wird um zwei Meter abgesenkt. Peter Frei fordert zudem: ,,Wir brauchen eine neue ethische Bewertung dessen, wo der Mensch in der Natur steht.'' Johanna Pfund

Erfolgreiche Renaturierung

,,Eigenlob stinkt zwar, aber was wir da geschafft haben, finde ich super.'' Denkt er an die Isar-Renaturierung, gerät Karl Hafner ins Schwärmen. Bis Mitte 2003 war er Leiter des Wasserwirtschaftsamtes in München und als solcher einer der Architekten dieses ,,wahnsinnig spannenden Projekts''. Mit der Firma Eon, Stadt und Landkreis München hat die Behörde um die Jahrtausendwende dafür gesorgt, dass Oberbayerns Paradefluss seinem Image wieder gerecht wird und nicht zu einem Rinnsal verkommt.

Der Energiewirtschaft wurden höhere Mengen an Restwasser abgetrotzt, an den Ufern Betonverbauungen entfernt. Seither mäandert die Isar zwischen Wolfratshausen und München teilweise wieder wie ein Wildfluss. Hafner sieht die Ziele Aufwertung der Erholungsfunktion und Hochwasserschutz gleichermaßen mustergültig erreicht.

Selten habe er überdies eine derartige Einigkeit wie bei der Isar-Renaturierung erlebt: ,,Ob staatliche Behörden oder Bürger, ob Isarallianz oder die Fischer - alle zogen an einem Strang und haben dem Projekt Schwung gegeben'', erinnert sich Hafner, der heute im Umweltministerium beschäftigt ist. Das Abenteuer geht weiter, mitten in München. Codename: ,,Isarplan''. Jürgen Wolfram

Albtraum Hochwasser

Die ersten Strahlen der Oktobersonne tasten sich durch den dichten Nebel über den Isarauen. Das Haus in der Rosenau, direkt an der Hauptstraße zwischen Erding und Moosburg, liegt friedlich in dieser Idylle. Neben dem Eingangsschild trotzen ein paar Blumen der herbstlichen Kälte. Rosemarie Detterbeck kann sich allerdings erst langsam wieder an solch profanen Dingen erfreuen. Über ein Jahr hat sie gekämpft - um Zuversicht und ihre berufliche Zukunft. A

Als im August vergangenen Jahres die Isar über ihre Ufer stieg, sickerte Wasser durch den veralteten Damm direkt in ihr Haus. Einen halben Meter stand die schlammige Brühe im Erdgeschoss, vernichtete die Wohnung ihrer Eltern und durchweichte das gesamte Inventar des Kosmetiksalons. Den Schaden schätzt Rosemarie Detterbeck auf etwa 260 000 Euro.

Vor allem die Belastung für die Eltern, 80 und 83 Jahre alt, empfand sie als ,,einzigen Alptraum''. Gelder seien nur stockend geflossen, Versicherungen zahlten nicht - Hochwasser sei eine ,,höhere Gewalt''. Die Hilfe der Regierung sei spät und spärlich gekommen.

Nach einem Jahr Schuften und Hoffen, nach tausenden Arbeitsstunden und unzähligen Behördengängen hat sie ihren Kosmetiksalon wieder eröffnet und hofft auf Kundschaft.Victoria Leipert

Ein Karpfen als Indikator

Der Karpfen hat ordentlich zugelegt. Seit April ist er von 13 auf 27 Zentimeter gewachsen. Als gebratene Delikatesse kommt er trotzdem nicht auf den Tisch : Wie weitere zwei Dutzend Fische dient er als Indikator für die Schadstoffbelastung im Freisinger Abwasser. ,,Ein Jahr müssen diese einsämigen Karpfen bei uns ohne Futter schmachten. Dann werden sie waidgerecht geschlachtet und das ausgelöste Filet wird in einem Institut untersucht'', sagt Klärmeister Willi Frankl.

Bei der grünlich schimmernden Brühe, in der die Karpfen so toll gedeihen, handelt es sich um das gereinigte Abwasser der Stadt Freising. Frankl arbeitet seit 27 Jahren im Klärwerk. ,,So sauber wie heute war das Abwasser noch nie'', verweist er auf Untersuchungsergebnisse. Seit der Bestrahlung mit UV-Licht liege der Wert bei 74 Einheiten, 100 wäre destilliertes Wasser, ab 60 Einheiten beginnt die Badewasserqualität.

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