DFB-Koch Holger Stromberg:"Während der EM keine Pommes"

Lesezeit: 7 min

Der Münchner Sternekoch Holger Stromberg ist derzeit mit der Nationalelf unterwegs und kocht für sie. Mit sueddeutsche.de sprach er über die Ernährung der deutschen Kicker und ihren Einfluss auf sportliche Erfolge.

Christina Maria Berr

sueddeutsche.de: Herr Stromberg, Sie bekochen gerade die Nationalelf. Sind Sie im Stress?

(Foto: Foto: Catherina Hess)

Holger Stromberg: Stress ist so ein negativ belegtes Wort, das ich nicht so gern verwende. Ich arbeite viel, ganz viel und habe jetzt noch zusätzlich eine große Aufgabe und Ehre, die Nationalmannschaft zu bekochen, angenommen. Ich tue das, was ich tue, gern und versuche immer erfolgreich dabei zu sein.

sueddeutsche.de: Wie ernähren sich die Jungs?

Stromberg: Deren Disziplin ist wirklich toll! Da kann ich persönlich noch was lernen.

sueddeutsche.de: Gibt's keinen, der mal über die Stränge schlägt?

Stromberg: Nein, wirklich nicht. Exzesse gibt es nicht. Ich hab mal vor vielen Jahren die Nationalmannschaft erlebt, da gab es Weißbier und Pils. Das war aber eine andere Generation. Als ich noch ein Junge war, bekamen die Fußballspieler unseres Heimatklubs Bier und Schnitzel oder Frikadelle als Lohn für die Arbeit. Heute gilt jedoch um so mehr, jeden möglichen Baustein noch weiter zu professionalisieren, um auch eine perfekte Ernährung zu gewährleisten, denn Ernährung ist ein großer Baustein für eine gute Leistung.

sueddeutsche.de: Besser essen, bessere Leistung, ist das so?

Stromberg: Ich kann von mir sagen: Ich war als Kind extrem übergewichtig und hab immer Limonade getrunken. Mit 28 fing dann das Zwicken an. Überall tat was weh, da ging die Leistungskurve erstmals nach unten. Da ich aber nicht in der Lage bin, ausreichend Sport zu machen oder an die frische Luft zu gehen, bleibt mir nur übrig, mich über die Ernährung fit zu halten.

sueddeutsche.de: Kann Ernährung Sport ersetzen?

Stromberg: Nein, Bewegung durch Sport ist sicher durch nichts zu ersetzen. Ausgewogene Ernährung und zusätzlich Sport ist selbstverständlich das Beste. Allerdings halte ich es für gesünder, sich gut und ausgewogen zu ernähren, als sich schlecht zu ernähren und jeden Tag zehn Kilometer zu joggen. Das gilt natürlich nicht für einen Profifußballer. Denn die Profisportler können ihre Leistung nur durch aktives Training erzielen.

sueddeutsche.de: Die Jungs bekommen nun ausgewogene Sterneküche. Konnten Sie alle Spieler von gesunder Ernährung und von ihrer Kochkunst überzeugen?

Stromberg: 98 Prozent hab ich erreicht.

sueddeutsche.de: Und die zwei Prozent?

Stromberg: Es gibt zwei, drei unter den Spielern, für die ist Essen nur Nahrungsaufnahme. Die essen Tag für Tag das Gleiche. Aber das ist auch total okay, denn sie kennen Ihren Körper ja am besten. Für mich als Genussmensch ist das zwar unverständlich, aber deswegen bin ich ja auch Profikoch und nicht Profikicker.

sueddeutsche.de: Ihr Ziel müsste es doch sein, alle Spieler zu erreichen, oder?

Stromberg: Auf jeden Fall! Ich steh ja immer am Büffet. Da drück ich ihnen schon mal was Neues in die Hand, was sie nicht kennen und sag: Probier das mal. Das machen sie dann auch. Ich will die Menschen motivieren. Es geht nie mit Muss beim Essen. Das geht bei Kindern nicht, und das geht auch bei erwachsenen Kindern nicht, so eben auch nicht bei Profifußballern oder gar bei meinen Restaurantgästen.

sueddeutsche.de: Bringen Sie den Spielern auch Kochen bei?

Stromberg: Dafür ist keine Zeit. Es soll demnächst allerdings so etwas wie Holgers Ecke geben, da veranschauliche ich für Interessierte in etwa zehn Minuten, lebensmittelkundig und ernährungswissenschaftlich, etwas über die eingesetzten Produkte meiner Küche. Danach gehen die Spieler gemeinsam ans Büffet.

sueddeutsche.de: Und da gibt's Pommes?

Stromberg: Pommes gibt es nur nach einem Turniersieg, aber nicht während der EM. Denn da gilt: Vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Aber Burger mach ich schon mal - mit magerem Rindfleisch und selbstgebackenen Semmeln.

sueddeutsche.de: Burger ohne Pommes?

Stromberg: Ich sage Ihnen, wenn ich denen Burger mache, dann ist Partystimmung. Da sind die Pommes schon fast vergessen. Ich hab ja grundsätzlich gar nix gegen Pommes. Aber dies sollte die Ausnahme bleiben. Aber das ist, was wir verlernt haben: Genuss ohne Reue, aber genießen kann nur der, der auch den Verzicht kennt.

sueddeutsche.de: Was ist mit Pizza?

Stromberg: Ich mache auch Pizza, weil ein paar Spieler ab und an nach Pizza gefragt haben. Jetzt hab ich eine Pizza entwickelt, auf der Feta-Käse drauf ist. Erst hab ich gedacht, wenn ich das als Pizza ausgebe, dann gibt's Geschrei. Aber: Im Gegenteil.

sueddeutsche.de: Es gab noch nie Geschrei?

Stromberg: Doch. Gleich an meinem ersten Arbeitstag bei der Nationalelf, da wollte ich Kalbskotelett grillen und zwar am Stück. Das wurde aber geschnitten mit dem Fettrand angeliefert. Jetzt ist für den Liebhaber der Fettrand genau das, was er vom Kotelett will. Für einen Spieler ist es dagegen genau das, was er nicht will und soll. Aber ich war so geflasht von den neuen Eindrücken, dass ich das zu spät gesehen habe. Also: Auf den Grill damit und raus. Das war natürlich eine Katastrophe. Es gab berechtigtes Murren von allen Seiten.

sueddeutsche.de: Das war Ihre einzige Panne?

Stromberg: Na, das reicht. Ich mag keine Pannen.

sueddeutsche.de: Wie sieht denn Ihr Tag mit der Nationalmannschaft aus?

Stromberg: Ich bin immer schon ein, zwei Tage vorher da und rolle den kulinarischen Teppich aus. Ich bin ja nicht nur für das Essen zuständig, sondern auch für den Aufbau der Speisesäle, die Abläufe, den Gastraum und für ein eventuelles Catering, das ins Stadion muss. Man darf sich nicht vorstellen, dass mein Morgen auf Mallorca mit Kartoffeln schälen beginnt. Es gibt fertige Rezepte, die die Mannschaft des jeweiligen Hotels umsetzt. Ich bin zugegen, wenn es Zubereitungsfragen gibt, packe gern mit an und schmecke die Speisen am Ende ab.

sueddeutsche.de: Ihre Rezepte für die Spieler haben Sie gerade in einem Kochbuch verraten. "Pure Cooking". Sollen nun alle essen, was auch Schweinsteiger bekommt?

Stromberg: Meine Hoffnung ist: Wenn Mütter sagen "Hey schau mal, das isst der Schweini auch", dass es den Müttern dadurch einfacher fällt, die Kinder von selbst zubereitetem, frischen Essen zu überzeugen.

sueddeutsche.de: Aber die Kinder mögen auch Nutella, wenn Schweini keine Nutella isst.

Stromberg: Ich hab nichts gegen Nutella, mit Nutella zum Beispiel könnten die Mütter sogar dann die Kinder von Vollkornbrot überzeugen. Denn ich esse Nutella auf getoastetem Vollkornbrot oder selbstgebackenem Brioche. Göttlich! Wenn schon, dann eben "Genuss ohne Reue"!

sueddeutsche.de: Die Nationalmannschaft wird finanziell weniger von Vollkornbrot-Firmen als vielmehr von Fastfood-Firmen unterstützt.

Stromberg: Ich will gerne meinen Teil dazu beitragen, ein Gleichgewicht herzustellen.

sueddeutsche.de: Sie meinen Biosaft statt Cola?

Stromberg: Das habe ich nicht gesagt.

sueddeutsche.de: Aber?

Stromberg: Es muss Cola genauso auf der Welt geben wie Mineralwasser, Hamburger wie frisches Gemüse. Das macht diese Welt so vielfältig und lecker. Mein Wunsch und Ziel ist allerdings, die Menschen bei einer ausgewogenen Ernährung zu unterstützen, sie für die Zubereitung von Speisen zu begeistern und nützliche Einkaufstipps zu geben.

sueddeutsche.de: Mal ehrlich, spielen Sie eigentlich auch mal mit den Profis Fußball?

Stromberg: Mit den Profis spiele ich nicht, das wäre viel zu gefährlich. Es würde aus diesem Grunde, sicher auch kein anderer Betreuer mit den Profis Fußball spielen. Aber die Betreuer spielen manchmal untereinander. Da würde ich schon mal gerne mitmachen. Nur, dass die sich immer treffen, wenn ich das Essen vorbereite.

sueddeutsche.de: Ihr Münchner Lokal G* müsste doch brummen, seit sie Fußball-Koch sind?

Stromberg: Bei mir kriegen Sie immer einen Platz. Ich will bitte nicht nur als Fußball-Koch wahrgenommen werden. Sonst denken die Leute, bei dem gibt's nur Steak und Spaghetti. Doch es ist klar, wenn ich eine Fotogalerie mit all den Fußballern und anderen Promis, für die ich gekocht habe, ins Lokal hängen würde, wäre es 20 Prozent mehr ausgelastet. Aber ich verkauf nicht meine Seele.

sueddeutsche.de: Eine andere Methode wäre, jeden Gast persönlich zu begrüßen. Das ist bei Sterneköchen sehr in Mode.

Stromberg: Das ist vorwiegend in Deutschland wichtig. Wir haben am Tag zwei Anrufe, die fragen: Ist der Stromberg da? Nein, dann kommen wir nicht. Das versteh ich nicht. Die Deutschen wollen immer den Koch sehen. In England oder Amerika wäre das undenkbar. Und denken Sie jetzt bitte nicht, die Briten und Amerikaner könnten nicht kochen.

London ist die kulinarische Hauptstadt Europas und viele Sternköche haben dort mehr als ein Restaurant. Aber wie intelligent sind die, die denken, der Chefkoch hätte selbst jeden Handgriff in der Küche getan? Man kann sich doch nicht teilen. Dann sollten die Menschen eher verlangen den Chef nicht zu sehen, denn dann hat er Zeit zu kochen.

sueddeutsche.de: Das ist vor allem typisch Münchnerisch. Ist denn München ein geeigneter Standort für einen Sternekoch?

Stromberg: München ist kulinarisch gut geprägt durch Witzigmann und Winkler und ihre Nouvelle Cuisine. Und durch die Großmarkthalle als Hauptumschlagplatz für Obst und Gemüse kennt man hier natürlich viel Frische. Dann gibt es viel Tradition. Durch die Prägung der bayerischen Küche mit Spezialitäten wie Innereien sind die Menschen offener für neue Genüsse.

Aber was mich zunehmend stört, dass es in München so viele Besserverdienende gibt, die es in kurzer Zeit geschafft haben erfolgreich zu sein und dann in diese In-Lokale gehen. Das Essen dort ist meist für die Leistung extrem überteuert, auch wenn es vermeidlich kleine Preise sind.

sueddeutsche.de: Und langweilig.

Stromberg: Wir Deutschen sind generell nicht sehr experimentierfreudig. Deutschland ist natürlich sehr solide, aber für einen kreativen Menschen wie mich ist das manchmal sehr bedauerlich. Da denkst du, du hast ein Fingerfood kreiert, was es noch nicht gibt auf der Welt. Und dann kommt jemand rein und sagt: Haben Sie keine Chicken Wings? Und wenn ich im Supermarkt sehe, dass sich Menschen die Aufschrift auf dem Shampoo vier Minuten durchlesen und die Aufschrift auf ihrem Essen gar nicht, ist das schon sehr bedenklich.

sueddeutsche.de: Viele können sich teures Essen nicht leisten.

Stromberg: Das ist ja die Frage, was einem Essen wert ist. Es ist ja so, dass man bei der Kleidung Gucci und H&M kombiniert. Das sollte man beim Essen auch machen. Ich zum Beispiel bin ein Freund vom Sonntagsbraten. Fleisch müsste etwas Besonderes sein. Wenn ich König von Deutschland wäre, würde ich einführen: Bevor man ein Fleisch essen darf, müsste man einmal vorher geschlachtet haben. Wer das mal erlebt hat, der geht völlig anders mit Lebensmitteln um. Nämlich mit Respekt und Dankbarkeit.

sueddeutsche.de: Sie könnten ja auch für den Otto-Normal-Verdiener kochen.

Stromberg: Genau das werde ich tun! Ich finde grausam, was uns in Flugzeugen und auf Bahnhöfen angeboten wird. Ich plane schon seit längerem eine Fastfood-Kette und werde zum Ende des Jahres die erste Filiale eröffnen. Stromberg Organic. Die erste Filiale soll es in der Friedrichstraße in Berlin eröffnet werden. Und im Frühjahr 2009 eine in München.

sueddeutsche.de: Und mit der Bahn verhandeln Sie auch?

Stromberg: Noch nicht. Aber wenn ich Zug fahre, denke ich immer: Vermieten Sie mir doch Ihre Speisewagen, Herr Mehdorn! Dann mach ich da was draus. Bis zu sieben Stunden haben die Gäste keine Chance zu entkommen. Warum gibt's keinen Friseur, warum bekomme ich nicht einen Latte Macchiato von einem Barrista gezaubert ? Das verstehe ich nicht.

sueddeutsche.de: Sie sollten mal mit Herrn Mehdorn reden.

Stromberg: Wenn er das möchte, gern!

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