Der National-Masseur:Adi und die Zehen der Götter

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Adi Katzenmeier ist nicht nur Masseur der Nationalmannschaft, sondern auch eine Art Seelsorger der Spieler. Der Dokumentarfilmer Wolfgang Ettlich hat ihn bei seiner Arbeit begleitet.

Sandra Stricker

Deutschland im Sommer 2006: Ein Land im Rauschzustand. Es ist Fußballweltmeisterschaft. Mittendrin der Regisseur Sönke Wortmann, der dem Land Wochen später noch einmal sehnsüchtiges Träumen von der Zeit gestattet, indem seine Dokumentation "Deutschland - Ein Sommermärchen" den Zuschauer in die Umkleidekabinen der Nationalelf mitnimmt.

Glücklich zwischen Poldi und Schweini: Masseur Adi Katzenmeier. (Foto: Foto: AP)

Während der Dreharbeiten muss es gewesen sein, als Wortmann den Münchner Dokumentarfilmer Wolfgang Ettlich anrief und sagte: "Du, ich hab da eine Idee: Willst Du nicht einen Film über Adi Katzenmeier machen?" Wolfgang Ettlich ist in München nicht nur wegen seiner zahlreichen Langzeitdokumentationen bekannt, für die er bereits zweimal den Grimme-Preis erhalten hat, sondern auch durch sein Theater Heppel & Ettlich, das er gemeinsam mit Henny Heppel leitet.

Und Adolf "Adi" Katzenmeier, das ist der Masseur der deutschen Fußballnationalmannschaft, Physiotherapeut mit eigener Praxis in Frankfurt, 73 Jahre alt. Leuten, die sich auskennen, ist er auch als eine Art Seelsorger der Spieler bekannt, "Vater der Nationalmannschaft", so der Titel des Films. Es gibt Spieler, die vor dem Spiel nur von Adi massiert werden wollen.

Diese und andere Anekdoten erzählt Ettlichs Film, der Adi Katzenmeier zum Länderspiel Deutschland gegen die Slowakei begleitet, ihn in seiner Praxis in Frankfurt besucht und reihenweise Fußballprominenz von Günther Netzer über Franz Beckenbauer bis hin zum Nationaltrainer Joachim Löw befragt. Ganz klar wird von Anfang an nicht, ob es sich bei der Dokumentation wirklich um das Porträt eines unscheinbaren Mannes mit hessischen Akzent handelt, der zufällig mittenhinein geraten ist in eine Welt, in der Geld und Eitelkeit große Rollen spielen.

Oder ob es nicht eher, wie Ettlich formuliert, eine Illustration "deutscher Fußballgeschichte" ist. Spannend ist die Idee, über eine Randfigur wie den Masseur in die Umkleidekabinen der Spieler zu gelangen. Aber charmanter ist der andere Gedanke: Die Fußballvergötterung und die kommerziell gehypten Stars außen vor zu lassen und eine andere Seite kennenzulernen, sich was erzählen zu lassen von einem, der seinen Beruf liebt und nicht die Macht.

Schade nur, dass Ettlich sich nicht entschieden hat für eine der beiden Varianten. So schlingert seine Erzählung, die mit dem hübschen Bild von einem singenden Katzenmeier am Klavier beginnt und auch endet, zwischen Fußball- und Gesellschaftsgeschichte hin und her, macht einen Abstecher in die 68er (langhaarige Fußballgötter), erinnert an die WM von 1974, als die Bundesrepublik in der ersten Finalrunde gegen die DDR verlor (traurige Fußballgötter), und lässt nebenbei den Protagonisten in seiner Praxis mit Patienten plaudern, zu denen nicht nur Franz Beckenbauer gehört, sondern auch ein namenloser zwölfjähriger Junge - "Jeder bekommt bei mir die gleiche Behandlung".

Wenn Ettlich von den Dreharbeiten erzählt, erinnert er sich mit Zorn in der Stimme an Schwierigkeiten, wie er sie bei seinen zahlreichen vorherigen Filmen noch nicht kennengelernt hat. "Mit den Göttern zu drehen, ist eben schwer", sagt Ettlich und meint damit Tage wie den, als er mit seinem Team stundenlang vor dem Hotel warten musste, in dem der Masseur tätig war. "Wie soll man drehen, wenn man nicht bei der Behandlung dabei sein darf?"

Der Deutsche Fußball-Bund erteilt ungern Genehmigungen. Manch einer, mit dem Ettlich sprach, riet ihm von dem Projekt ab: Über den Katzenmeier könne man keinen Film machen, der könne nicht gut erzählen. Ettlich löst dieses Problem, das im Film durchaus spürbar wird, indem er sich selbst einbringt und den Masseur zum Reden bringt, ihn konsequent mit Fragen bombardiert über alles, was den Zuschauer - nicht nur den (männlichen) Fußballexperten - interessieren könnte.

Adi Katzenmeier geht gern drauf ein und zeigt schließlich, wer er ist: ein Mann, der seinen Beruf und die Arbeit inmitten der Spieler liebt, dem Starrummel aber fremd ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. "Vater der Nationalmannschaft" ist deshalb eine charmante Dokumentation des Langzeitbeobachters Ettlich geworden, die von etlichen Welt- und Europameisterschaften erzählt, die der Masseur seit Beginn seiner Karriere miterlebt hat.

Ganz unaufdringlich präsentiert der Film seinen Protagonisten. Wer sich spektakuläre Innenansichten wie in Sönke Wortmanns "Sommermärchen" erwartet, wird enttäuscht. Poldi und Schweini kommen nur einmal zu Wort. Dafür tröstet die skurrile Anekdote, wie Katzenmeier beschloss, die Fußnägel der Nationalspieler auf Vordermann zu bringen, über manche Längen hinweg. Ein riskantes Unterfangen war Ettlichs Projekt, das wusste er wohl. Es ist nicht schlecht geglückt.

Wolfgang Ettlichs Film "Adolf ,Adi' Katzenmeier. Vater der Nationalmannschaft" wird am Sonntag, 30. Dezember, 18 Uhr in der ARD ausgestrahlt.

© SZ vom 28.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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