Der Bund spielt nicht mit:NS-Dokumentationszentrum steht vor dem Aus

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Überdimensioniert und mangelhaft konzipiert? Der Bund will den Anteil von zehn Millionen Euro nicht zahlen - ein Expertengremium kam zu dem Schluss, dass das Münchner Zentrum die Förderkriterien nicht erfüllt.

Alfred Dürr

Aus Berlin kommt die Hiobsbotschaft nach München: Das geplante NS-Dokumentationszentrum auf dem Grundstück der ehemaligen Nazi-Parteizentrale steht vor dem Aus.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann sieht sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vorerst nicht in der Lage, die ursprünglich kalkulierte Unterstützung in Höhe von zehn Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Die Stadt und der Freistaat Bayern sind sich dagegen schon seit einiger Zeit über ihren Finanzanteil von jeweils zehn Millionen Euro einig.

Ein Expertengremium, das Minister Bernd Neumann bei der Vergabe des Geldes berät, kam jetzt zu dem Schluss, dass das Münchner Zentrum die Förderkriterien nicht erfüllt.

"Das darf einfach nicht das letzte Wort sein"

Zu groß geplant und vom Konzept her nicht schlüssig - das sind dem Vernehmen nach die Haupteinwände der Gutachter gegen das Münchner Zentrum. Nähere Informationen liegen nicht vor. Welchen Stellenwert das Votum hat, ist noch nicht ganz klar. Die Expertenkommission bestehe aus renommierten und unabhängigen Fachleuten, sagte ein Sprecher des Staatsministers in Berlin.

Sie würden eine Empfehlung abgeben, die allerdings vertraulich behandelt werden müsse: ,,Der Staatsminister wird sich damit befassen und dann eine abschließende Bewertung abgeben.'' Auf der anderen Seite heißt es aber auch, dass sich Neumann nicht einfach über das Votum der Fachleute hinwegsetzen könne, da dies eine Präzedenzfall-Wirkung haben könne.

Der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser, der sich besonders für den Neubau auf dem Grundstück des ehemaligen Braunen Hauses an der Brienner Straße engagiert, äußert sich auf Anfrage der SZ ,,enttäuscht und überrascht''. Es müsse alles unternommen werden, um noch einen Meinungsumschwung herbeizuführen. Genau so sieht es auch OB Christian Ude: ,,Das darf einfach nicht das letzte Wort sein.'' Die ehemalige ,,Hauptstadt der Bewegung'' brauche unbedingt diesen Dokumentationsort.

Große Verwunderung gibt es auch beim Vorsitzenden des politischen Beirats für das Dokumentationszentrum, SPD-Stadtrat Michael Leonhart. Die Gremien hätten intensiv am Konzept gearbeitet. Dass es nun derart negativ behandelt werde, könne man kaum glauben. ,,Wir haben wirklich alles unternommen, um alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen'', sagt der Fraktionschef der Grünen/Rosa Liste im Rathaus, Siegfried Benker.

Kurioser Streit

Die jahrelange Vorarbeit zur Lage und zur Gestaltung des künftigen Zentrums dürfe nicht mit einem Federstrich zunichtegemacht werden.

Ende vergangenen Jahres war es nach jahrelangen Debatten endlich soweit. Der Stadtrat beschloss am 5. Oktober 2006 die Finanzierung des NS-Dokumentationszentrums und ging dabei von einem Kostenrahmen in Höhe von 34 Millionen Euro aus. Stadt und Freistaat waren sich zuvor einig geworden, sich die Kosten in Höhe von 30 Millionen Euro in einer Drittelfinanzierung mit dem Bund zu teilen.

Vier Millionen Euro hätte zusätzlich die Stadt übernommen. Der Freistaat stellte das Gelände kostenfrei zur Verfügung. Weitere finanzielle Belastungen könne man sich dann nicht mehr aufbürden. Damals wurde auch gesagt, dass man einen ,,innovativen Lernort'' schaffen wolle, und das auf einem ,,authentischen Grundstück'' sowie ohne Abstriche an der damals festgelegten Größenordnung. Diese Punkte werden aber von der Kommission in Frage gestellt.

Zuletzt hatte es zudem einen fast schon kuriosen Streit in München um den Umgang mit den freigelegten Mauerresten des ehemaligen Braunen Hauses gegeben. Nach einigem Hin und Her zwischen den politischen Gremien über den Wert dieser Ruinen will man sich die Option offenhalten, sie in den Neubau zu integrieren. Nun wird bereits über andere Formen der Finanzierung nachgedacht, wenn der Bund tatsächlich aussteigen sollte. Doch andere Geldquellen - wie zum Beispiel private Sponsoren - zu erschließen, dürfte extrem schwierig werden.

© SZ vom 10.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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