Demo zur Sicherheitskonferenz:"Dies ist eine Kriegstagung"

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Gegen die Sicherheitskonferenz sind in München mehr Menschen als erwartet auf die Straße gegangen - die meisten bestens gelaunt. Ein Polizist wurde in den Finger gebissen, andere von Clowns verhöhnt.

Ruth Schneeberger

Eigentlich ist die Stimmung propper: Die Sonne scheint, der Marienplatz ist gut gefüllt, niemand pfeift die Organisatoren aus, als sie eine zehnminütige Standpauke darüber halten, was auf dieser Demo alles verboten sein wird: Nieten, Mercedes-Sterne - jegliches, was von der Polizei in irgendeiner Weise als Kampfansage verstanden werden könnte.

"Die sind lustig. Wir sind doch diejenigen, die gegen Krieg und Kampf da sind!", wundert sich eine Demonstrantin vor dem Podium.

Von dort oben werden nun auch noch die Polizisten instruiert ("Lasst Euch nicht von den Kriegstreibern instrumentalisieren" und "Behandelt uns nicht wie Terroristen - wir sind keine!"), es wird gegen die Sicherheitskonferenz gewettert ("Diese Konferenz ist eine Kriegstagung - alles andere ist Etikettenschwindel" und "Es geht dabei nicht um mehr Frieden, sondern um mehr Krieg!").

Empörung vor dem Rathaus

Schließlich wird Horst Teltschik zitiert, der Organisator der Sicherheitskonferenz, der sich im Vorfeld eine sehr umstrittene Aussage geleistet hat: "Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.'' Große Empörung vor dem Rathaus.

Dass jeder Soldat ein potentieller Mörder sei, Hartz IV dazu diene, die Massen zu verdummen und die Nato aufgelöst werden müsse - diese Ansagen gehen in der allgemeinen Aufbruchstimmung schon fast unter, denn es soll ja losgehen mit dem Umzug: vom Marienplatz zum Isartor, weiter bis zur Sonnenstraße und schließlich zum Lenbachplatz. Wenn es zu den von der Polizei befürchteten Ausschreitungen kommt, dann erfahrungsgemäß dort.

Weshalb etwa 3500 Polizisten im Einsatz sind - gegenüber etwa 3000 Demonstranten. Unter ihnen werden rund 350 Autonome vermutet, der sogenannte "schwarze Block".

Gleich zu Beginn gibt es einen Stau: Die Ordnungshüter ziehen unerlaubte Banner aus dem Verkehr. Die sind nicht deshalb verboten, weil ihr Inhalt besonders aufrührerisch wäre - sondern weil die Form nicht stimmt: Es werden Seitentransparente aufgezogen, und das ist laut Auflage nicht erlaubt. Auf den Bannern ist zu lesen: "Stoppt Folter und deutsche Beihilfe", "Nein zu Krieg und Kapitalismus" und "Schluss mit Folter-Komplizenschaft - Steinmeier in den Knast".

Clowns im Stechschritt

Trotzdem geht es fröhlich weiter: Jugendliche tanzen vor Lautsprecher-Lkw zu Punk, Reggae und Heavy-Metal Musik. Und eine Gruppe von Clowns zieht die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie unermüdlich singend und im Stechschritt sowohl das Militär an sich als auch die anwesenden Polizeibeamten verhöhnt - zur Freude von Demonstranten und Passanten. Die Polizisten finden das gar nicht so lustig.

Man hat den Eindruck, dass die Polizei zur diesjährigen Sicherheitskonferenz auf das Prinzip der Deeskalation setzt: Russlands Präsident Putin checkt mitten in der Nacht völlig unbemerkt von Demonstranten und Fotografen mit rund 30 schwarzen Limousinen und Unmengen von eigenen Leibwächtern auf der Maximilianstraße ins Hotel Kempinski ein.

Und auch hier, auf der Demo, ist von einer Übermacht der Polizei kaum etwas zu spüren: Unterwegs sind fast mehr freundliche Streifenpolizisten als machtdemonstrative Sondereinsatzkräfte zu sehen.

Nur an manchen Stellen kommt es zu Auseinandersetzungen mit den Beamten. Ein Polizist wird in den Finger gebissen. Mehr Schaden ist von Beamtenseite nicht zu beklagen. Dagegen stehen insgesamt 46 Festnahmen - die meisten wegen Beleidigung.

Und offenbar geht die Strategie auf: Die Demo, die eigentlich um 17 Uhr am Lenbachplatz enden sollte, wird am Stachus vorzeitig abgebrochen. Zu oft wurde der Zug unterbrochen, zu spät sind die Teilnehmer dran.

Die Organisatoren werden später sagen, die Polizei habe sie aufgehalten. Die Polizei meldet, ein defektes Lautsprecherfahrzeug habe die Verzögerung verursacht. Die Schlusskundgebung wird abgesagt. Zu den befürchteten Tumulten kommt es nicht.

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