Das Erfolgsrezept:Kind einer Zeit, als Kulturpolitik noch Ideen hatte

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Vor ungefähr 15 Jahren war "Hallenkultur" noch eines der wichtigeren politischen Themen in München. Es gab ein paar Provisorien mit beschränktem Haltbarkeitsdatum, sonst nichts.

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Es gab die Jutierhalle, in der die Stadtwerke unbedingt Rohre lagern mussten, weshalb dort keine Kultur stattfinden durfte. Und es gab die Muffathalle, wo der Stadtwerkesportverein für ein paar Pfennig Miete Tennis spielen musste, weshalb dort keine Kultur stattfinden konnte. So war das, Ende der Achtzigerjahre.

Dann aber fanden ein paar Stadträte, allen voran Franz Forchheimer (CSU), Sabine Csampai (Grüne) und der damalige zweite Bürgermeister Christian Ude (SPD), dass jenes schöne Industriedenkmal Muffathalle der ideale Ort für Kulturveranstaltungen wäre. Und überraschenderweise setzte sich diese Allparteienkoalition auch noch durch, aus der Tennishalle wurde ein Kulturzentrum.

Und was für eines! Anfangs war man skeptisch. War das nicht sehr münchnerisch? Erst der lange, aufwändige Umbau, bei dem das Beste - so schien es - gerade gut genug war? Wurde da nicht aus der jahrzehntelang sympathisch abgenutzten Industriearchitektur für sehr viel Geld wieder mal eine geschleckte Puppenstube gemacht? Mit perfekter Akustik, perfekter Licht- und Tonanlage, perfektem Rundumstyling?

Gottseidank nicht. Nach zehn Jahren erinnern wir uns an Biennale- und Dance-Produktionen ebenso wie an völlig überfüllte Into-Somethin'-Partys, an rabiate Abende mit La Fura dels Baus, an Heavy Metal auf dem Cello mit Apocalyptica, an Salsa-Abende, bei denen man jede Menge heiratswilliger (wg.Aufenthaltsgenehmigung) Latinos und Latinas kennen lernen durfte, an höchst anspruchsvolle und nicht minder zähe Tanztheatervorstellungen, aber eben auch an TSV-1860/FC-St.-Pauli-Verbrüderungsabende oder WM-Halbfinales auf der Großbildleinwand.

Diese gesunde Mischung aus Hochkultur und Trash ergab letztlich ein Erfolgsrezept, das hoffentlich noch lange fortgeschrieben wird. Und man macht sich unweigerlich so seine Gedanken: Hat heute, nur zehn Jahre später, in der Politik dieser Stadt noch jemand vergleichbare Zukunftsideen? Offenbar nicht: Der Jutierhalle zum Beispiel droht ja nach dem baldigen Auszug der Kammerspiele nach wie vor der Abriss.

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