"Cyberspace Hippies":Die glorreichen Sieben

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Wie aus Mädchen Frauen werden, die wissen, was sie wollen, und warum es deshalb kein Märchen ist, was der Münchner Frauenband "Cyberspace Hippies" passiert ist, und was das alles mit Tollwood und AC/DC zu tun hat.

Vielleicht können kleine Mädchen zaubern. Vielleicht haben sie noch so etwas wie unsichtbare Drähte zu schützenden Mächten. Aber vielleicht ist es auch viel einfacher: Mädchen werden Frauen, die wissen, wo sie hinwollen, und deshalb eines Tages auch ankommen.

Die Cyberspace-Hippies (Foto: oh)

Genau erklären kann sich Petra Delorian das alles nicht. Aber wenn sie zurückdenkt, benutzt sie öfter das Wort "Magie". Als Mädchen hat sie sich etwas gewünscht, vor wenigen Wochen ist es in Erfüllung gegangen.

Mit elf Jahren sieht sie eine dieser elektrisierenden Shows von AC/DC in ihrer Heimatstadt Friedrichshafen. Es ist die "Highway to Hell"- Tour, noch mit Sänger Bon Scott. Plötzlich weiß Petra Delorian: "Da möchte ich stehen." Da, auf der Bühne. 20 Jahre später sitzt sie in einem Backstage-Raum der Berliner Columbiahalle und wartet auf ihren Auftritt. Ihre Band Cyberspace Hippies ist gleich dran - als Vorgruppe für AC/DC.

Aber Märchen gehen ein bisschen anders. Vorgruppe zu spielen, ist nicht wirklich zauberhaft. Im Genre der Rocker ist es am härtesten. Die unzimperlichen, fast ausschließlich männlichen Fans sind dafür berüchtigt, nervige Aufwärm-Combos von der Bühne zu buhen.

AC/DC sind für eingefleischte Musikliebhaber so etwas Ähnliches wie Götter. Die Cyberspace Hippies sind sieben Frauen um die dreißig aus München, die ein Repertoire aus Coverversionen von Reißern der Sechzigerjahre bis heute spielen.

Draußen in der Berliner Columbiahalle grölen die Fans nach Rock'n'Roll, im Backstage-Raum wird es immer stiller. Ein Security-Mensch warnt die Cyberspace Hippies: "Wenn sie Flaschen auf Euch werfen - schmeißt sie bloß nicht zurück." Petra Delorian sagt: "Uns ging es gar nicht gut."

Andererseits sind die Cyberspace Hippies Profis. Sie machen ihr Leben lang Musik. Petra Delorian und ihre Kolleginnen bewegen sich in einer Szene, in der jede schon mal mit jedem zusammen in einer Combo gespielt hat, also irgendwie jeder jeden kennt. So bekommt der Produzent Jack White ein Demoband der Band 7 Sins in die Hände, in der Petra Delorian und Schlagzeugerin Babs Margeth spielen, die heute zum harten Kern der Cyberspace Hippies gehören.

Weil es White gut gefällt, spielt er das Band einer Freundin vor: Steffi Graf. Der Tennisstar sucht gerade eine Band für eine finale Abschiedsrunde durch die Courts der Welt. So absolvieren die beiden Musikerinnen vor drei Jahren eine Tournee durch europäische und südafrikanische Arenen.

Die Biografien der anderen Cyberspace Hippies sind genauso schillernd. Auf der Liste ihrer Arbeitgeber stehen unter anderem die Heavy-Band Avalon, Schlager-Grand-Prix-Projekte von Ralph Siegel, Lisa Fitz, Worlds Apart, Electric Ladyland und Glow. Sängerin Claudia Cane war vor drei Jahren in der deutschen Grand-Prix-Vorentscheidung, hatte mit dem Titelsong für die Sat-1-Produktion "Die Rote Meile" einen Achtungserfolg. Die ganz große Nummer war es nie. Feuilletonisten haben auch keine Purzelbäume gemacht.

Auch jetzt nicht wegen des Gemeinschaftsprojekts Cyberspace Hippies. Coverbands rangieren im Ansehen knapp oberhalb von Hochzeits-Kapellen. Petra Delorian steht darüber. "Die besten Musikerinnen, die man in München finden kann", wie sie sagt, bieten ihrer Meinung nach eine Qualität, die ihre Band von allen anderen weit abhebe.

Außerdem gehe es den Cyberspace Hippies darum, mit möglichst schnell zusammengestellten Programmen so viel wie möglich auf Bühnen zu stehen und, ja, auch Geld damit zu verdienen. "Wir könnten auch eigene Sachen machen, aber dann säßen wir wieder nur im Keller", sagt sie.

Der Anruf kam am Freitag. Am Montag war das Konzert in Berlin. Beim Soundcheck gibt es keine Beschränkungen, die Roadies kümmern sich zuvorkommend. Alles ist wunderbar - bis zu den ängstlichen Minuten kurz vor dem Auftritt im Backstage-Raum. Die Frauen reißen sich zusammen: "Wir gehen raus und zeigen's ihnen."

Claudia Cane stellt sich ans Mikro und schreit einfach so lange hinein, bis den Hardrockern die Biereinfüllschneise offen stehen bleibt. Dann schreitet eine der sieben Musikerinnen nach der anderen auf die Bühne. Petra Delorian sagt: "Wir hatten die Leute sofort in der Hand."

Sie macht kein Bandgeheimnis daraus, dass die Optik der Frauen-Kapelle eines ihrer besten Verkaufsargumente ist. Das Motto heißt "Guter Sound und was zum Schauen." Auf einen erotischen Augenfraß lassen sich die Cyberspace Hippies trotzdem nicht reduzieren. "Wir sind starke Persönlichkeiten", sagt Delorian, "und wenn doch mal ein blöder Spruch kommen sollte, spiele ich ein Slap-Solo auf dem Bass, dann ist Ruhe."

Es kommen keine Sprüche in Berlin, keine Flaschen im Tiefflug. Beim zweiten Club-Konzert von AC/DC, im Münchner Circus Krone, sind die Cyberspace Hippies wieder dabei. Dieses Mal ist die Stimmung nicht so wild, aber Sänger Brian Johnson küsst alle sieben Musikerinnen hinterher begeistert auf die Wange.

Er meint, die Cyberspace Hippies hätten ihre Stones-Nummern besser gespielt als die Originale. Das ist dann wieder so ein Moment, in dem Petra Delorian dankbar dafür ist, dass sie damals, als kleines Mädchen, nicht Ballett lernte, sondern Rock'n'Roll.

Wenn die Cyberspace Hippies Stars wären, sagt Petra Delorian, würden sie sich vielleicht auch eine Frauenband als Vorgruppe engagieren. Weil das lustiger sein könnte. Und weil es vielleicht noch mehrere Mädchen gibt, die denken, sie könnten zaubern.

Heute spielen die Cyberspace Hippies im Andechser Zelt bei Tollwood. 18 Uhr, Eintritt frei.

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