CSU fordert "Fettbriefe":Das Münchner Kindl ist zu dick

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Die von der CSU geforderten "Fettbriefe" werden Eltern übergewichtiger Kinder erspart bleiben - Grund zur Entwarnung gibt es dennoch nicht: Jeder zehnte Schüler ist zu dick.

Christian Rost

Hätten sich die CSU-Stadträte Eva-Maria Caim und Manuel Pretzl mit ihrem Vorschlag durchgesetzt, würden gut zehn Prozent der Eltern von Schulkindern künftig unangenehme Post bekommen: In den Schreiben würde unverblümt stehen, dass ihr Kind über dem sogenannten Body-Mass-Index liege, also zu dick sei.

In den USA sind solche wenig schmeichelhaft genannten "Fettbriefe" obligatorisch, in München will man trotz eines zu hohen Gewichts bei immer mehr Schülern auch künftig lieber darauf verzichten.

Der Schulausschuss des Stadtrats befürchtet nämlich eine Stigmatisierung der betroffenen Kinder. Und außerdem ist für zusätzliche schulärztliche Untersuchungen, die für die Bewertung notwendig wären, kein Personal und Geld da.

Nicht stigmatisieren

Schul- und Gesundheitsreferat haben sich die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen der Jahre 1976 bis 2003 einmal angesehen und sind zu dem erschreckenden Ergebnis gekommen: Die Zahl der übergewichtigen Kinder in München ist von 2,8 auf 11,6 Prozent gestiegen.

Auch in den darauf folgenden Schuljahren war jedes Kind im Alter von fünf bis sieben Jahren übergewichtig oder adipös (fettleibig). Der Body-Mass-Index errechnet sich aus dem Quotienten von Körpergewicht in Kilogramm und Körpergröße in Meter zum Quadrat. Ab einem Wert von 25 an ist der Betroffene übergewichtig, ab 30 fettleibig und ab 40 extrem adipös.

Das Problem Übergewicht ist in bildungsferneren Schichten besonders groß. Als "zehn Mal höher" gibt die Stadt den Anteil der von Fehlernährung und zu hohem Gewicht betroffenen Kinder an, deren Familien einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben.

Ähnlich wie es der Bildungsbericht in Bezug auf die schulische Entwicklung aufzeigt, gehen nichtdeutsche Kinder auch in diesem Punkt häufiger den falschen Weg. Während Schüler mit deutschem Pass zu 8,5 Prozent übergewichtig und zu 3,5 Prozent adipös sind, betragen die Werte bei Kindern mit Migrationshintergrund 16,5 und 7,7 Prozent.

Bessere Bildung

Die Fachabteilungen im Rathaus halten deshalb fest: "Das größte Präventionspotential liegt in besserer Bildung und der Kompensation sozialer und gesundheitlicher Benachteiligungen." Die Zahlen gingen momentan zwar leicht zurück, befänden sich aber noch immer auf zu hohem Niveau. Die Folgen im Alter sind unübersehbar: 55 Prozent der Erwachsenen in Bayern gelten als übergewichtig.

Studien haben gezeigt, dass gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung bereits bei Kleinkindern prägend sind. Die Stadt setzt deshalb auf Prävention: Eltern sollen von Kinderkrankenschwestern aufgeklärt werden und Schulen den Kindern Infomaterial mit nach Hause geben.

In allen Kindergärten entstehen Bewegungsinseln. Was allerdings die schulärztliche Untersuchung betrifft, so wie es die CSU wollte, beklagt das Rathaus "zu knappe personelle Ressourcen". Der Schulausschuss befand letztlich, dass "Fettbriefe" ohnehin keinen präventiven oder therapeutischen Effekt hätten.

© SZ vom 24.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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