Christopher Street Day:Die rosarote Politparade

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50 bis 60.000 Menschen haben nach Angaben des Veranstalters an der Parade zum Christopher Street Day in München teilgenommen. Bilder und Videos von sueddeutsche.de.

Florian Rath Fotos: Stephan Rumpf (6), dpa

Mit offenem Mund und großen Augen steht Aleksandra Zajac am Oberanger und betreibt Gesichtsakrobatik. Hin und her - so, als ob sie beim Tennis zuschauen würde - geht ihr Kopf, dann zieht sich wieder ein Grinsen über ihr Gesicht und manchmal bleibt ihr Blick einfach nur staunend kleben: an puschligen Federboas, fest getrimmten Waschbrettbäuchen oder der Gruppe junger Männer, die so einträchtig einen Corso aus Kinderwagen vor sich her schiebt.

"In Polen", sagt die 25-jährige Touristin, und blickt dabei fragend zu ihren beiden Mitreisenden, "wäre das nicht so offensichtlich". Ein Christopher Street Day in Opel, Aleksandras Heimatstadt? "Das wäre ein Schock für die Leute dort. Die sind nicht so tolerant wie hier. Weiter so."

32 Jahre ist es her, seit sich Schwule, Lesben und Transvestiten in der New Yorker Christopher Street zusammentaten und gegen Unterdrückung und Diskriminierung Homosexueller demonstrierten.

Was Ende Juni 1969 als gewaltätiger Protest gegen schikanöse Polizeirazzien begann, ist inzwischen zum farbenfrohen Feiertag des schwul-lesbischen Selbstbewusstseins mutiert. Rekordverdächtige 60.000 Menschen aus ganz Europa nahmen am Samstag nach Angaben der Veranstalter bei der Parade durch die Innenstadt und der Kundgebung auf dem Marienplatz teil.

Die Polizei zählte rund 30.000 Teilnehmer beim diesjährigen Christopher Street Day (CSD), der vollkommen friedlich verlief und nur im Straßenverkehr wegen des gesperrten Altstadtrings zu Störungen führte.

"Mann, Frau, Kind, Hund"

Bei der politischen Auftaktkundgebung zum CSD vor dem Rathaus hatten sich die Redner am Vormittag gegen die harte Linie der bayerischen Staatsregierung in der Diskussion um das umstrittene Partnerschaftsgesetz der rot-grünen Bundesregierung gewandt, das eine weitgehende Gleichstellung homosexueller Partnerschaften vorsieht. Bayern klagt derzeit dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die grüne Landtagsabgeordnete Theresa Schopper warf Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) einen überholten Familienbegriff vor, der sich auf "Mann, Frau, Kind und Hund" reduziere. Auch wenn Karlsruhe kommende Woche das Gesetz auf Eis lege, sei die "politische Mehrheit" im Land für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen.

Andere Redner warnten davor, das Thema Gleichstellung im kommenden Bundestagswahlkampf zu missbrauchen.

Schirmherr Christian Ude (SPD) und Thomas Niederbühl (Rosa Liste) erklärten, der Christopher Street Day könne in seiner Form nur mit der derzeitigen Parteien-Konstellation im Rathaus gefeiert werden. "Mit einer CSU-Regierung sähe der Münchner Himmel für Lesben und Schwule schwarz aus", sagte Stadtrat Niederbühl.

Niederbühl, sein Lebensgefährte Heinz Bänziger, Marion Hölczl von der Rosa Liste mit deren Lebensgefährtin Silvana Urbitzek und OB Ude mit seiner Frau Edith von Welser-Ude führten auch die Parade an, die bei ihrem Zug durch die City und das Schwulenviertel rund um den Gärtnerplatz von Passanten am Straßenrand frenetisch bejubelt wurde.

Überall der Regenbogen

Wie am Rathaus hingen überall Regenbogenfahnen aus den Fenstern - die Symbole der homosexuellen Bürgerrechtsbewegung; München bewies seinen Ruf als tolerante, weltoffene Stadt.

Im Gegensatz zum Union Move vor ein paar Wochen geriet die Christopher-Street-Parade nicht in den Ruch einer sinnentleerten Spaß-Veranstaltung.

Auf den Straßen wurde ganz offensichtlich Politik gemacht. Die unterschiedlichsten Homosexuellen-Initiativen - von schwulen Jugendgruppen bis hin zu den großen Parteien - trommelten auf 27 Lastwagen unter dem Motto "Wir machen in Familie?" für eine alternative Familienpolitik. Auf Schildern und Transparenten waren Sprüche zu lesen wie "Ich bin eine von 700.000 lesbischen Müttern" und "Ich gefährde Ehe und Familie".

Bei den Heterosexuellen am Straßenrand war von dieser Gefahr jedenfalls nichts zu spüren. Eher ein Imagegewinn für die schwulen Interessen. Und vielleicht der Zündfunke für einen neuen Christopher Street Day - in Opel in Polen.

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