Chaos:Vorsicht, rutschende S-Bahn!

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Weil nasses Laub einen Schmierfilm bildet, können Züge nicht bremsen - Verspätungen sind die Folge.

Dominik Hutter

(SZ vom 17.11.2001) - Neue Züge, eigene GmbH - viel wurde unternommen, um das angeschlagene Image der S-Bahn wieder aufzumöbeln.

(Foto: Archiv)

Aber dann kam der Herbst, und mit ihm die alljährlichen Dauerverspätungen, denen die Fahrgäste machtlos und voller Wut gegenüberstehen.

Manchmal kommt noch ein mulmiges Gefühl dazu - dann nämlich, wenn Züge auf dem glitschigen Herbstlaub nicht mehr bremsen können und durch die Station hindurchschlittern.

"Das kommt jedes Jahr vor"

Vergangenen Sonntag, sieben Uhr morgens: Die Richtung Innenstadt fahrende S 6 kann im Bahnhof Stockdorf nicht mehr rechtzeitig bremsen. Der Lokführer, so berichtet ein Fahrgast der SZ, verweist auf Bremsprobleme - die dann in Gräfelfing und Lochham gleich nochmal auftreten.

Kein Einzelfall. In den vergangenen Tagen hat es auf gleicher Strecke noch mindestens zwei Mal besorgte Blicke unter den Fahrgästen gegeben. Mal werden Stationen ausgelassen, mal ragt der erste Waggon ein paar Meter über die Bahnsteigkante hinaus.

"Das kommt jedes Jahr vor", berichtet Bahn-Sprecher Horst Staimer. Der herbstliche Schmierfilm erschwere das Bremsen von Metall auf Metall ganz erheblich. "Mit den Bremsen selbst hat das nichts zu tun".

Aber vielleicht mit unangepasster Fahrweise? Staimer verweist auf Schulungen, die den Lokführer auf die kritischste Jahreszeit vorbereiten. Und auf ein Reinigungsfahrzeug, das jeden Morgen die Strecken räumt. "Trotzdem passiert es das eine oder andere Mal". Besonders anfällig seien Laubwald-Strecken, etwa bei der S 5, S 6 oder S 7.

Gefühl wie bei einem Himmelfahrtskommando

Für die Fahrgäste wirkt sich das Schlittern in mehrfacher Weise aus - unangenehm, versteht sich. Ganz abgesehen vom Gefühl, an einem Himmelfahrtskommando teilzunehmen, kommt es durch die vorgeschriebene Langsamfahrt zu enormen Verspätungen. Und zum Ausfall von Zügen.

Eine Bremsung bei blockiertem Rad nutzt das Metall stärker ab - viele Bahnen landen vorzeitig in der Werkstatt und fehlen dann im Berufsverkehr. Die Folge: Vollzug statt Langzug - und das Gefühl, in einer Sardinenbüchse zu stecken.

Dazu kommt noch der berühmte "Domino-Effekt". Beispiel S 2: Diese besonders störanfällige Linie muss auf ihrer Tour zwischen Petershausen und Holzkirchen gleich zwei Baustellen passieren - dort wird es einspurig.

Perfektes Chaos

Jede Verzögerung kann sich deshalb auf den Gegenverkehr auswirken - und auf die Linie S 7, mit der man nördlich des Fasangartens auf gemeinsamer Strecke fährt. Oft werden die Verspätungen bis in den Tunnel der Stammstrecke getragen. Dann müssen alle anderen Linien mitleiden. Und schon ist das S-Bahn-Chaos perfekt.

Noch schlimmer wird die Situation im kommenden Jahr: Dann beginnt die lange diskutierte Signal-Modernisierung der Stammstrecke. Störungen des Zugbetriebs sind unvermeidlich - genau an der heikelsten Stelle des 442 Kilometer langen Netzes.

Seit langem wird deshalb schon eine zweite Stammstrecke gefordert, "Pro Bahn" hat kürzlich wieder den raschen Ausbau des DB-Südrings gefordert.

Nachteil: Das Milliarden-Projekt wäre einer Studie zufolge wegen der aufwändigen Planungsverfahren erst in 12 bis 15 Jahren zu haben. Bis dahin ist auch der zweite Tunnel fertig.

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