Buga-Kino-Open-Air:Hai-Attacke auf knallrotes Gummiboot

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In einer lauen Sommernacht ins Freiluftkino gehen kann jeder. Doch sich bei Intervallregen und steifer Brise in einem Schlauchboot dem Weißen Hai stellen, ist eben nur etwas für Hardcore-Cineasten.

Von Violetta Simon

Ein leichter Abendwind ist aufgekommen und kräuselt die Wellen, bevor sie im Sand verlaufen. Gut gelaunte Menschen mit Caipirinhagläsern in den Händen wippen zum Takt der Reggaemusik. Pärchen liegen in Hängematten, andere lassen sich in Schlauchbooten auf dem Wasser treiben.

Mit dem Gummiboot in den Sonnenuntergang. (Foto: Foto: HVB)

Das alles findet nicht in der Karibik statt, sondern in München, am Strand des Bugasees. Deshalb tragen die Anwesenden auch keine Bikinioberteile mit Wickelröcken oder Shorts, sondern Fleecepullis und Regenjacken. Einige haben Thermoskannen dabei und für alle Fälle einen Schirm.

Das HVB-Kino-Open-Air-Festival hat keinen guten Tag erwischt für seine Premiere, die wetterbedingt bereits einmal verschoben wurde. Gefühlte Temperatur: drei Grad. Immerhin tröpfelt es nur ein paarmal zwischendurch, der bayernweit gefürchtete Schnürlregen bleibt aus.

Kino unter Extrembedingungen

Abgesehen davon erhöhen die widrigen Bedingungen den Abenteuerfaktor des Abends nur noch. Zentrale Aufgabe: Weißer Hai auf Großbildleinwand kucken und dabei in einem Schlauchboot auf dem Bugasee treiben.

Nur wer keinen Mumm in den Knochen hat, macht es sich in einem Liegestuhl oder einer Hängematte bequem, manche geben sich gar mit einer popligen Picknickdecke zufrieden. Für die Hardcore-Cineasten gilt: Gummiboot ins Wasser schubsen, an die Riemen und Anker lichten. Mit an Bord: Decken, Chips und Bier.

Wir halten zusammen

Damit einen die Brise nicht ins Abseits treibt, empfiehlt es sich auch für alte Seebären, an einem benachbarten Boot festzumachen. Und so bildet sich in der einsetzenden Abenddämmerung schon bald eine flächendeckende Akkumulation an quietschgelben Gummibooten. Man unterhält sich mit dem Nachbarn, schaukelt in friedlicher Eintracht vor sich hin, nippt an seinem Bier. Oder an heißem Tee.

Irgendwo ruft jemand "Wer möchte Chips?" Eine gigantische Chipstonne taucht aus dem Dunkel auf, wandert von Boot zu Boot, man bedient sich und reicht sie weiter. Aus der Gegenrichtung kursiert eine Dose mit Haien aus Fruchtgummi. Die Stimmung ist pfundig, das Gemeinschaftsgefühl grenzenlos. Kein Zweifel - wenn der erste auf die Toilette muss, wird die ganze Meute mitrudern.

Stummfilm ohne Untertitel

Kurz bevor sich Langeweile breit macht, beginnt nun auch der Film. Alles wäre also perfekt, wenn es zum Bild auch einen Ton gäbe. Doch nur ein leises Flüstern dringt von landwärts an die gespitzten Ohren der Bootsinsassen. Sieht ganz danach aus, als hätte man vergessen, ein paar Lautsprecher auf das Wasser zu richten. Und weil sämtliche Boxen den Strand so schön beschallen, verhallen die Protestrufe auf hoher See ungehört am wolkenschweren Himmel.

Für einen kurzen Moment wirkt es witzig, doch auf Ungläubigkeit folgt ein Anflug von Panik. Haben die uns hier vergessen? Sollen wir, im Dunkel treibend, englischen Text von Lippen lesen und den Weißen Hai als Stummfilm in Erinnerung behalten? Alle gemeinsam, auf drei: "Laaaaaaaauter!!!" Nichts. "Toooooon an!!!" Keine Reaktion.

Hai-Attacke auf dem Weg zum Klo

Aus einer Ecke überbrüllt plötzlich jemand mit beeindruckender Phonstärke die stümperhaften Chöre, und siehe da: Die Schlauchbootfraktion findet Gehör. Die Lautsprecher werden gedreht, der Schall wandert und umfängt uns mit wohltuendem Dröhnen.

Endlich kann´s losgehen: zurücklehnen, in die Decke kuscheln und gruseln. Zwischendurch ein Schluck Tee nehmen und hoffen, dass unterm Boot kein Hai kreist, der es auf einen abgesehen hat. Und vor allem: dass man bei der spannendsten Szene nicht doch aufs Klo muss und gezwungen ist, sich aus der Bootsmeute herauszuschälen und - ganz allein im Dunkeln - an Land zu rudern.

Weitere Termine zum HVB Kino-Open-Air auf dem Bugasee: Freitag, 10. Juni 2005: Titanic Sonntag, 12. Juni: Deep Blue Montag, 13. Juni: Im Rausch der Tiefe Eintritt drei Euro für sämtliche Vorstellungen, Einlass ab 19 Uhr Jeden Abend Live-Reggea-Musik mit "Ndiaga Diop", (sehr gute!) Hamburger, Bier und Caipirinhas Boote (gegen Pfand), Hängematten, Liegestühle und Decken (gegen Pfand) gratis

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