Brunnen in München:Kulisse für Küsse

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München ist eine Brunnenstadt: Mehr als 600 Fontänen sprudeln, plätschern und rauschen auf den Plätzen und in den Parks, manche seit Jahrhunderten. Ihre Bedeutung allerdings ist heute meistens eine ganz andere als früher.

Von Birgit Lutz-Temsch

Kleine Sterne tanzen auf der Wasseroberfläche, dort, wo sich die Sonne bricht. Am Rindermarkt sitzt Katharina, streift ihre Sandalen ab und stippt mit ihren Zehen ins Geplätscher. "Seit drei Stunden laufe ich schon durch die Innenstadt", sagt sie. " Gott sei Dank kann man seine Füße zwischendurch hier abkühlen."

Der Rindermarktbrunnen, in dem Katharina nicht als Einzige ihre Sohlen erfrischt, ist einer von mehr als 600 Brunnen in München. Sie dienen als Treffpunkt, Verschnaufmöglichkeit, Kulisse für Küsse und Mittagspausen - vor allem im Sommer.

Eine besondere Anziehungskraft auf Kinder übt dabei der Stachusbrunnen aus, weil man so gut in ihm herumlaufen kann: 199 Strahlen bilden eine spritzende Laube. Die kleine Marie juchzt, als sie durch den feinen Wasserstaub planscht. "Zum Glück gibt´s diesen Brunnen", sagt ihr Vater Bernd. "Sonst wäre an einen Einkaufstag mit unserer Tochter gar nicht zu denken." Der Stachusbrunnen ist verglichen mit anderen relativ neu:

Der Künstler Bernhard Winkler hat ihn 1972 entworfen, als anlässlich der Olympischen Spiele die Fußgängerzone entstand. Er belebt den Platz, kühlt im Sommer die Luft und ist beliebtes Fotomotiv. In früheren Zeiten hatten die Brunnen wichtigere Funktionen: Ihr Wasser wurde zum Trinken, Waschen oder Löschen von Bränden benötigt.

Eine Maß Brunnenwasser würde dem Durstigen heute nicht mehr so gut bekommen: Vor allem in den großen Brunnen werkeln Umwälzpumpen, um den Verbrauch niedrig zu halten. Eine Ausnahme ist der Fischbrunnen auf dem Marienplatz: Aus den Kübeln seiner Figuren läuft frisches Trinkwasser.

Wegen der kleinen nötigen Menge rentiert sich keine Umwälzpumpe. Wer durstig ist, sollte sich dennoch an die ausgewiesenen Trinkwasserbrunnen halten, die übers gesamte Stadtgebiet verteilt sind. (siehe Link).

Der als Treffpunkt beliebte Fischbrunnen ist der älteste der Stadt und plätschert vermutlich schon seit der Stadtgründung 1158 auf dem ehemaligen Marktplatz. Früher stand ein Standartenträger in seiner Mitte, erst im 19. Jahrhundert wurde der Fisch in Erinnerung an die alte Funktion als Marktbrunnen angebracht.

Heute wäscht niemand mehr seine Marktkörbe an dem Becken. Der einstige Brauchbrunnen ist nur noch Zierde - ein Luxus, der früher denen vorbehalten war, die wirklich wohlhabend waren. So steht denn auch der älteste Zierbrunnen Münchens, der Perseusbrunnen, im Grottenhof der Residenz.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde er nach einem florentinischen Vorbild geschaffen. Die Münchner Nachbildung ist nicht weniger blutrünstig als das italienische Original: Perseus köpft eine Medusa, und aus Kopf und Rumpf spritzt Wasser.

Weniger gruselig ist ein Quell, der nur wenige Schritte vom Marienplatz entfernt und doch versteckt steht: der Genießerbrunnen. Im Innnenhof des so genannten "Ohrwaschelhauses" in der Burgstraße sprudelt das Wasser um einen dicken kleinen Mann herum, der sich den Bauch hält und eine Schale an seinen Mund führt.

"Wenn man diese Figur sieht, will man auch gleich was Gutes essen", sagt Diane, eine amerikanische Touristin. Der Brunnen ist absichtlich so appetitanregend gestaltet - vor dem heutigen Restaurant war im Ohrwaschelhaus eine Weinstube.

Solche Kleinode entdeckt nur, wer in jeden Winkel der Stadt schaut, oder eine Führung von Stattreisen mitmacht. Auf einer der Touren beschäftigt sich Kunsthistorikerin Martina Sepp mit den Brunnen im Zentrum, und zeigt dabei gerade die, die oft nicht einmal dem eingesessenen Münchner präsent sind.

So wie ein ganz neuer im zehnten Hof der Residenz, der erst seit einem Jahr wieder zugänglich ist: der Brunnen im Kabinettsgarten neben der Allerheiligen Hofkirche. Die Kirche, während des Kriegs fast völlig zerstört, war einst nach dem Vorbild der palermitanischen Cappella Palatina gebaut worden.

Erst im vergangenen Jahr, 60 Jahre nach der Zerstörung, wurde die Kirche wieder eröffnet - die wertvollen Moaiken aber waren für immer dahin. An die einstige Pracht sollen die bunten Bodenkacheln des modernen, weitläufigen Wasserspiels im Kabinettsgarten erinnern. Rings um den Brunnen fläzen Sonnensuchende auf den Sitzbänken. "Hier fühle ich mich fast wie in Spanien", sagt der spanische Student Ivan, der in einer Ecke des Gartens ein Buch liest.

Ein Stück weiter, im Hofgarten, sprudeln gleich mehrere Brunnen aus verschiedenen Epochen. Eine Jahrhunderte alte Technik versorgt sie: Der unterirdisch rings um die Altstadt fließende Stadtbach wird ins Hofbrunnwerk hinter der Staatskanzlei geleitet. Seine Wasserkraft treibt eine Turbine an, die wiederum eine Pumpe in Gang hält, die Grundwasser nach oben schöpft - und dieses wird schließlich in die einzelnen Fontänen gepumpt.

Heute werden immer weniger Brunnen gebaut. Zu kostenintensiv ist die Instandhaltung, zu aufwändig das Reinigen der Anlagen, in denen oft so manches dümpelt, was sich nicht hineingehört. Ein Glück, dass München schon so viele hat.

Brunnenführungen von Stattreisen finden in diesem Sommer noch am 1. Juli um 18 Uhr und am 1. August um 11 Uhr statt.

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