Bombenattrappen in Bahnhöfen:Botschaften des Hasses

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Elf Bombenattrappen platzierte Heide L. über Monate hinweg in Zügen und Bahnhöfen. Am Montag wird ihr vor dem Landgericht der Prozess gemacht.

Alexander Krug

Ihr Ziel war es, Angst und Schrecken zu verbreiten. Um die Bevölkerung zu verunsichern, platzierte sie über Monate hinweg elf Bombenattrappen in Zügen und Bahnhöfen. Die Intensität, mit der Heide L., 52, vorging, ist einzigartig in München. Am kommenden Montag wird der dem linksradikalen Spektrum zugeordneten Frau am Landgericht der Prozess gemacht.

Ziel: Angst und Schrecken. Bombenattrappen wie diese platzierte Heide L. in Zügen und Bahnhöfen. (Foto: Foto: ddp)

Am 25. August vorigen Jahres gab es am Aschaffenburger Bahnhof erstmals Alarm im Intercity C 328 "Alpenland". Ein Bahnarbeiter entdeckte in der Zugtoilette eine blaue Tasche, in der sich eine braune Gasflasche befand, die mit einem Handy verkabelt war. Daneben lag ein Zettel mit hebräischen Schriftzeichen. Der Zug wurde evakuiert, erst später stellte sich heraus, dass es sich um eine Attrappe handelte. Nach ähnlichem Muster soll Heide L. in der Folgezeit weitere zehn Attrappen in Zügen (vor allem S-Bahnzügen des MVV), an Bahnhöfen oder Bahngleisen hinterlegt haben.

Die Polizei bildete eine Sonderkommission "Alpenland", der nach monatelangen Ermittlung am 23. Februar dieses Jahres die Festnahme von Heide L. gelang. Die ledige 52-Jährige war den Fahndern bereits bekannt von antiamerikanischen Demonstrationen; wegen Sachbeschädigung hat sie zwei Vorstrafen. Außerdem hatte sie Dutzende Briefe an US-amerikanische Einrichtungen verschickt.

Einzelgängerin ohne soziale Bindungen

Zuletzt hatte sie als Telefonistin gearbeitet und ein Appartement in Moosach bewohnt. In der laut Polizei "chaotisch" aussehenden Wohnung wurden zahlreiche Pamphlete antiamerikanischen Inhalts gefunden, außerdem etliche Gegenstände, wie sie zum Bau von Bombenattrappen gebraucht werden.

Bei den Vernehmungen legte sie ein umfassendes Geständnis ab. Die Polizei ordnet sie dem linken Spektrum zu, wobei sie aber nicht als "führender Kopf", sondern als Einzelgängerin ohne soziale Bindungen gilt. Ihre besondere Abneigung galt offenbar besonders den USA und Israel.

Neben den mit viel Kreativität gebastelten Bombenattrappen soll sie auch für Dutzende Schmierereien im Stadtgebiet in Zügen oder an Gebäuden verantwortlich sein. Ein von ihr bevorzugter Schriftzug war "Nato/USA" oder "Nato/Israel", wobei einzelne Buchstaben mit einem Hakenkreuz versehen waren. Angeklagt ist sie in 39 Fällen, dabei gehen die Ermittler von deutlich mehr aus, nämlich fast 200.

Maximal 15 Jahre Haft

Ein Polizeipsychologe erklärte nach ihrer Festnahme, einen solchen Fall "noch nie" erlebt zu haben. Nach dem vorläufigen Gutachten eines forensischen Psychiaters ist Heide L. jedoch voll schuldfähig. Auffallend ist die zeitliche Nähe ihrer Taten mit dem fehlgeschlagenen Kofferbomben-Anschlag zweier Libanesen am 31. Juli vorigen Jahres auf zwei Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass sich die Angeklagte die damals vorherrschende Verunsicherung der Bevölkerung gezielt zunutze machen wollte.

Mit dem Prozess am Landgericht wird nur der strafrechtliche Aspekt des Falles abgehandelt. Darüber hinaus hat Heide L. noch enorme finanzielle Forderungen zu erwarten. Dabei fallen ihre Schmierereien weniger ins Gewicht. Kostspielig dürften vor allem die Folgen der von ihr deponierten Bombenattrappen werden: Zugausfälle, komplette Evakuierungen und Verspätungen. Möglicherweise muss sie auch die Kosten der aufwendigen Polizeiermittlungen tragen. Insgesamt geht es um mindestens 250.000 Euro.

Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Störung des öffentlichen Friedens, Sachbeschädigung und Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen erhoben. Für jeden Einzelfall drohen bis zu drei Jahre Haft, theoretisch wäre die Obergrenze wegen der Vielzahl der Taten 15 Jahre. Verteidigt wird Heide L. von Rechtsanwalt Andreas Fuchs.

© SZ vom 24.08.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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