Blasmusik-Festival:Trompeten für den Frieden

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Ein Mann, eine Idee: Im Alleingang hat Miodrag Stojanovic ein serbisch-bayerisches Blasmusik-Festival auf die Beine gestellt. Ab Freitag blasen Kapellen beider Volksgruppen auf der Theresienwiese um die Wette.

Von Jenny Hoch

Miodrag Stojanovic hat sich getraut. Diesmal ist er nicht als Ausländer zum Kreisverwaltungsreferat gegangen, sondern als Münchner. Er hat beantragt, auf der Theresienwiese ein Festzelt aufstellen zu dürfen. Vom 18. bis 20. Juni soll sein Zelt allein auf dem riesigen Platz stehen. Er hat die Erlaubnis bekommen.

(Foto: Foto: AP)

So richtig könne er es noch nicht glauben, sagt der Bayern-Fan mit serbischem Pass, sein Traum sei in Erfüllung gegangen: Er wird das erste Serbisch-Bayerische Blasmusik-Festival in Deutschland ausrichten. Zwar ohne Maßkrüge wie auf dem Oktoberfest, dafür aber mit serbischem Wein und deutschem Bier aus kleineren Gläsern. "Das ist eleganter", sagt Stojanovic. 3.000 Personen passen in sein Zelt, und davor gibt es einen großen Biergarten mit Spanferkelgrill und Buden mit Handwerkskunst.

Sein Traum vom völkerverbindenden Fest nahm im vergangenen Jahr Gestalt an. Erschöpft saß Miodrag Stojanovic im Bus auf der Rückfahrt von Belgrad nach München. Drei Tage hatte er auf dem großen Blechblasmusik-Festival in Guca verbracht und nichts anderes getan als getrunken, gegessen und getanzt. Jedes Jahr im August findet in der 3.000-Seelen-Gemeinde in Südserbien dieser Jahrmarkt der Balkanmusik statt. Die besten Orchester des Landes konkurrieren um die "Goldene Trompete" und entfesseln dabei die größte und chaotischste Party des Landes.

Hunderttausende belagern in dieser Zeit das Städtchen. Die Tanzwütigen kommen längst nicht mehr nur aus Osteuropa, denn die Rhythmen der wilden Zigeunermusik haben sich spätestens seit den Filmen "Underground" und "Schwarze Katze, weißer Kater" von Emir Kusturica auch in den Gehörgängen von Deutschen, Franzosen oder Australiern festgefressen.

Blasmusik gibt es auch in Bayern, dachte sich Stojanovic, warum nicht bayerische Kapellen gegen Orchester von in Deutschland lebenden Serben anspielen lassen? Dazu lud er ein paar Folkloregruppen ein, die Tänze und Trachten der jeweiligen Regionen vorführen.

Eine siebenköpfige Jury wird die Darbietungen bewerten, die Gewinner dürfen zum großen Vorbild, dem Festival in Guca, reisen und dort auftreten. Nach den Trachten- und Musikwettbewerben, die am Samstag und Sonntag jeweils um zehn Uhr beginnen, gehören die Abende ganz der Blasmusik. Neben den Gewinnern von Guca 2003, dem Dejan-Petrovic- und dem Ekrem-Mamutovic-Orchester, treten die bekannten Sängerinnen Usnija Redzepova und Gordana Lazarevic und der Sänger Marinko Rokvic auf. Platzreservierungen sind an allen Tagen dringend erforderlich. Der Eintritt ist kostenlos, doch muss für 20 Euro gegessen und getrunken werden.

Das Festival soll friedlich und fröhlich und "auf keinen Fall eine politische Veranstaltung" sein, sagt Stojanovic und hebt abwehrend die Hände: "Wir wollen zeigen, was wir können, und neue Freunde gewinnen." Wichtig ist ihm, den ramponierten Ruf der Serben nach dem Krieg ein wenig zu verbessern: "Wenn wir den Deutschen drei Tage lang die Seele von Serbien zeigen können, gewinnen wir neue Freunde. Die haben wiederum Freunde, denen sie das weitererzählen", malt er sich die Kettenreaktion der Völkerfreundschaft aus. Auf das Festival kommen auch Kroaten und Bosnier. "Ich habe sogar schon Reservierungen aus Zagreb", sagt er.

Werbung macht er kaum für sein Volksfest. Nur auf ein paar Plakaten, die hauptsächlich in Balkan-Restaurants hängen, steht auf serbisch und deutsch: "Hajdemo na sabor u Minhen", "Auf zum Volksfest nach München". Das Logo, eine trompetende Figur mit bayerischen Lederhosen und serbischem Käppi, hat Stojanovic selbst erfunden. Wichtig sei ihm ein ausgewogenes Verhältnis von osteuropäischen und deutschen Besuchern, sagt der Organisator.

In der Heimat, erzählt er, haben serbische Tageszeitungen und der Hörfunk längst über den mutigen Landsmann berichtet, der in München ganz allein ein riesiges Bläserfestival auf die Beine stellt. "Welche Heimat?", fragt sich Stojanovic plötzlich. Er überlegt kurz und sagt nachdenklich: "Nein, eigentlich ist Bayern meine erste Heimat geworden. Es ist wunderschön, hier zu leben." Mit seiner Frau, einer Kroatin, lebt er in Schwabing. Ihre beiden Kinder sind hier groß geworden, sein Restaurant, das "Domino" in der Leopoldstraße, ist um die Ecke. Stojanovic hat sich sein Leben in Deutschland eingerichtet, hat viel gearbeitet und kann jetzt, nach 34 Jahren, sagen: "Es ging schön langsam bergauf."

Dabei musste er ganz von vorne anfangen: Am späten Abend des 13. Oktober 1970 kam er mit dem Zug aus Belgrad am Münchner Hauptbahnhof an. Außer seinem Hemd, einem Salamibrot und zehn Packungen Zigaretten hatte er nichts als den Traum von einem besseren Leben. In Deutschland erwartete ihn niemand. Zuerst traute er sich nicht einmal, den Bahnhof zu verlassen und blieb lieber auf einer Holzbank sitzen.

In der Bahnhofsmission lernte er einen Griechen kennen, der ihm vorschlug, sein Glück beim Parkhotel in Regensburg zu versuchen. Schließlich hatte Stojanovic in Belgrad eine Hotelfachschule besucht. Der 20-Jährige nahm seinen ganzen Mut zusammen und bewarb sich. Er bekam die Stelle.

Heute, 34 Jahre später, dreht er beim Fototermin die Musik in seinem schwarzen Mercedes-Coupé voll auf. Er gestikuliert wild, und seine Augen blitzen, als er auf die Theresienwiese tritt. Er ist angekommen. (Informationen und Reservierungen: Telefon 0173/9145915 oder 3615466.)

© SZ vom 17.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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