Bikepolo-Spieler aus München:Polo im Parkhaus

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Wenn sie zuschlagen, sprühen Funken über den Betonboden: Die Münchner Andi Schuster und Eddie Krömer zählen zu Europas besten Bikepolo-Spielern.

David Binnig

Als Eddie zuschlägt, sprühen Funken über den Betonboden. Eddie lenkt sein Fahrrad nach links, und lehnt sich nach rechts. Zur Schlaghand. Der kleine rote Ball zischt am Tor vorbei - und an dessen drei reglosen Hütern. Sie stützen sich auf ihre Schläger und sind damit beschäftigt, nicht den Boden zu berühren. 30 Meter weiter springt der Ball über die Bande, fällt drei Stockwerke tief - und landet auf der Parkhauszufahrt. ,,Pure Verzweiflung war das!'', schreit Andi. Sein Team führt 4:1. Eddie dreht wortlos ab und rollt in die eigene Hälfte zurück, ein grimmiges Grinsen im Gesicht. Ein Gegentor noch, dann hat sein Team schon wieder verloren. Wie bei jedem Spiel heute.

Die Schläger sind alte Skistöcke mit Plastik-Abwasserrohren am Ende: Bikepolo wird immer beliebter in Großstädten - wie hier in London. (Foto: Getty Images)

Eddie und Andi gehören zu den besten Bikepolo-Spielern Europas. Bei Turnieren treten sie gemeinsam an - im Training triezen und provozieren sie sich. Das ist ihre Art, sich anzustacheln. Ihr Team, die ,,Toros'', ist seit Anbeginn des Bikepolos das erfolgreichste im ganzen Land. Der Beginn ist noch nicht lange her: Etwa zehn Jahre. In Seattle, USA, langweilten sich die Radkuriere. Also bauten sie sich Schläger und spielten Polo auf Fahrrädern. 2004 kam Bikepolo nach Deutschland, seitdem breitet es sich aus. In fast jeder größeren Stadt gibt es Teams.

Bikepolo ist ein Sport aus der Stadt und für die Stadt. München ist die deutsche Hochburg. Hier gibt es die Toros, mehr als zwei Dutzend weitere Aktive und die ,,Poloholica'' - eines von zwei Frauenteams in Europa. Zwei- oder dreimal pro Woche trainieren Eddie, Andi und die anderen in der Münchner Innenstadt, im Parkhaus eines Baumarkts. Immer da, wo möglichst wenige Autos im Weg stehen. Heute Abend fanden sie ihr Spielfeld erst im dritten Stock. Und selbst dort parkt ein alter roter Volvo im Weg. Deshalb ist das Polofeld kleiner als sonst, kleiner als ein Tennisplatz. Vier orange Plastik-Hütchen reichen, um es abzustecken. Sie bilden die beiden Tore, drei Spieler ein Team.

Einer schreit die Formel "drei, zwei, eins, Polo!", und das Spiel beginnt: Sechs schlägerschwingende Menschen auf Fahrrädern rasen auf einen kleinen roten Ball zu - um ihn zwischen die Hütchen zu schießen. Wer zuerst fünf Tore hat, gewinnt. Der Boden ist tabu: Er darf nicht berührt werden. Die Räder sind alt, zerkratzt, verschrammt, aber robust und extrem wendig. Sie haben schmale Reifen, kurz gestutzte Lenker, nur einen Gang und eine Bremse. Die Schläger sind selbst gebaut: alte Skistöcke mit passend gesägtem Plastik-Abwasserrohr am Ende. Tore zählen nur, wenn sie mit der schmalen Stirnseite des Rohrs geschossen werden.

Eddie schießt heute oft aufs Tor. Je länger das Spiel dauert, desto wütender drischt er auf den Ball. Andi trickst. Er ist der Techniker im Team der Toros, ein Virtuose am Wasserrohr-Stock. Andi spielt das Spiel völlig anders als Eddie. Deshalb sind die beiden zusammen so gut. Deshalb müssen sie im Training immer gegeneinander spielen, um besser zu werden.

Andi Schuster, 30 Jahre alt, jugendliches Aussehen, akkurater Kurzhaarschnitt, Jeans und Brille, sitzt in den Spielpausen auf seinem Helm und trinkt Limo. Er hat Sonderpädagogik studiert und macht eine Weiterbildung zum Psychotherapeuten. Eddie Krömer, 32, Vollbart, schwarzer Kapuzenpulli, liegt neben ihm auf dem Boden und widmet sich seinen Pausenritualen: Erst nimmt er einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, dann dreht er sich eine Zigarette. Er ist Sportwissenschaftler und Besitzer eines Radladens. Unter seiner weiten kurzen Hose ragen Protektoren und eine lange enge Radhose hervor.

Sechs Partien spielen sie heute gegeneinander, mit immer anderen Mitspielern. Eddies Teams liegen die meiste Zeit hinten. Immer wieder kommt es zum Duell: Andi gegen Eddie. Bei den Turnieren, wenn sie zusammen spielen, profitieren sie voneinander. Bei der WM wurden sie in diesem Jahr Vierte, hinter zwei Teams aus den USA und einem aus der Schweiz. Die Toros haben sich in Europa einen Ruf erarbeitet: Sie sind die Ehrgeizigen, die Harten. Doch die Konkurrenten werden immer mehr, immer besser, immer jünger. Seit Monaten tauchen bei jedem Turnier neue Mannschaften auf.

Jedes Trainingsspiel im Parkhaus ist ein Kampf. Körperlich und geistig. Die Spiele sind kurz und intensiv. 4:1 steht es für Andis Team, noch immer fehlt ein Treffer zum Sieg. Der Ball scheint an Andis Schläger zu kleben. Nach zwei, drei Tricks mit Ball, Rad und den anderen Spielern ist er wieder mal alleine vor des Gegners Tor. Vor Eddies Tor. Das ist nur so breit wie ein Fahrrad lang ist. Eddie steht mit seinem Rad quer davor. Andi lenkt sich und den Ball nach links und schießt - es ist eher ein Streicheln. Er gibt der roten Kugel mit seinem Schläger nur eine sanfte Richtungsänderung. Langsam kullert sie zwischen Eddies Vorder- und Hinterrad hindurch - ins Tor.

© SZ vom 28.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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