Bezahl-Uni:"Dann lohnt sich das Studieren ja nicht mehr"

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Künftig werden auch an der LMU Studiengebühren fällig. Während sich die Landesregierung euphorisch gibt, fragen sich viele Münchner Studenten, wie sie das finanzieren sollen.

Von Corinna Nohn

Kurz nach zehn, es geht ruhig zu im Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität. In einem Schaukasten hängen die bekannten Plakate kontra Studiengebühren, ein verblasster Zettel weist auf eine Informationsveranstaltung hin - Termin: 4. November 2004.

Ob hier jemand Proteste gegen Studiengebühren geplant hat? "Nein, habe ich nichts von gehört", lautet die knappe Antwort. Noch scheint die Botschaft bei den Münchner Studenten nicht angekommen zu sein: Bald darf Bayern fürs Erststudium zur Kasse bitten. Die Rede ist von 500 Euro pro Semester, fällig ab kommenden Oktober. Und den Plänen der CSU steht dank der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag auch nichts im Wege.

Studium mit Nebenjob ist in München gang und gäbe

Vielleicht hat der Kaffee die Geister belebt, aber die Studierenden in der Cafeteria neben dem Studentenwerk haben mehr zum Thema zu sagen.

"Dann lohnt sich das Studieren ja gar nicht mehr — wer soll sich das denn noch leisten können?", ist die erste Reaktion von Anne Stieglitz, als sie erfährt, dass das Bundesverfassungsgericht das allgemeine Gebührenverbot aufgehoben und damit den Weg für die Pläne der CSU geebnet hat. Die LMU-Studentin ist bestürzt: "Da heißt es immer, die Regierung will was für die Bildung tun, aber das bewirkt doch genau das Gegenteil."

"Ich arbeite sowieso schon nebenher — bei 500 Euro im Semester zusätzlich muss ich wirklich überlegen, ob ich es mir leisten kann, weiter zu studieren", meint Michaela Schröder, die im vergangenen Oktober ihr Lehramtsstudium an der LMU aufgenommen hat.

Auch unter den übrigen Studierenden gibt es nur lange Gesichter.

Zwar war das Urteil vorhersehbar, aber dass Karlsruhe den Ländern völlig freie Hand lässt, wie sie die Gebührenfrage gestalten, kam für viele dann doch überraschend. Alle hatten auf verbindliche Angaben und auch der Forderung nach einer bundeseinheitlichen Regelung gehofft.

Kaum einer, der nicht nebenher jobbt, um sich das Studi-Leben leisten zu können — zumal in München, wo die Zimmermiete schnell die Hälfte des BAföG-Höchstsatzes von 585 Euro beträgt.

Warten auf das Fördergeld

Edmund Stoibers Versprechen, dass die Entscheidung für ein Studium auch weiterhin nicht vom Geldbeutel abhängig sein soll, ist kein Trost.

"Ich warte jetzt schon vier Monate auf mein BAföG. Mein Konto ist leer geräumt, die 85 Euro Verwaltungskosten-Beitrag fürs kommende Sommersemester musste ich mir von meiner Schwester leihen. Wenn sich die Fördergelder bei den Studiengebühren ebenso verschleppen werden... 500 Euro zusätzlich kann ich nicht so einfach überbrücken", erklärt Stefan Barowski, der im dritten Semester Soziologie belegt.

Beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni München stehen nach der Urteilsverkündung viele offene Frage im Raum.

Was ist mit dem Rechtsanspruch eines jeden auf einen Studienplatz, 1971 vom Bundesverfassungsgericht festgelegt — der wäre durch die Einführung der Gebühren doch null und nichtig?

Wieso streitet die bayerische Landesregierung schon über die mögliche Verteilung der Einnahmen, bevor sie überhaupt beschlossen sind?

Ministerpräsident Stoiber und Wissenschaftsminister Thomas Goppel beteuern, auch den sozial Schwächeren eine höhere Bildung ermöglichen zu wollen. Aber keiner scheint die Umfragen unter den Münchener Studenten ernst zu nehmen, die zeigen, dass insbesondere BAföG-Empfänger und Frauen bei einer zusätzlichen 500-Euro-Belastung pro Semester ihr Studium abbrechen würden.

Ina Faßbender vom AStA an der LMU erklärt: "Die Hemmschwelle, ein Studium aufzunehmen, wenn man nachher einen Berg voll Schulden hat, ist groß — besonders unter BAföG-Empfängern, weil die ja sowieso schon Geld zurückzahlen müssen." Sie weiß, wovon sie spricht — kann sie doch selber nur studieren, weil sie den Höchstsatz an Ausbildungsförderung erhält und sich noch was dazu verdient: "Ich bin froh, dass ich in zwei Semestern fertig bin — sonst könnte ich in München wohl nicht zu Ende studieren."

Auch die AStA-Mitglieder halten von den Versprechungen Stoibers, dass das Geld den Hochschulen zufließen werde, nicht viel: "Dafür wird im Gegenzug das Geld, das der Staat zur Zeit in die Hochschulen steckt, wahrscheinlich schrittweise gekürzt — den Unis wird also im Endeffekt gar nicht mehr Geld zur Verfügung stehen als bisher", vermutet Faßbender.

Das ärgere sie besonders im Hinblick darauf, dass in den vergangenen Jahren bayernweit an den Hochschulen 600 Stellen abgebaut worden seien, ein großer Teil davon in München. Aufgebracht fügt Faßbender hinzu: "Und wieso sollen plötzlich viele Projekte, die schon längst beschlossen sind und deren Finanzierung schon stand, nun über Studiengebühren finanziert werden?"

In einem Punkt sind sich die AStA-Mitglieder sicher: "Wir kennen auf der ganzen Welt kein Gebührensystem, dass sozial gerecht wäre."

Deshalb wollen sie die Einführung der Studiengebühren in Bayern, die die CSU jetzt zügig voran treiben wird, auch nicht kampflos hinnehmen. Schließlich habe Bayern und damit besonders die Münchener Hochschulen so eine Art negative Vorbildfunktion für die anderen Länder.

Theater mit Info am Marienplatz

Groß angelegte Demonstrationen wird es in München wohl nicht geben, weil "die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die bayerische Regierung so unheimlich günstig gefallen ist — zur Zeit sind hier ja alle im Prüfungsstress, da hat kaum einer Zeit für Proteste", meint Faßbender nicht ohne Ironie in der Stimme.

Informieren will der AStA aber trotzdem, und zwar am Donnerstag ab 14 Uhr in einer Theateraktion auf dem Marienplatz. Einer wird den Richter auf hohem Podest spielen, der entscheiden kann, ob jemand studieren darf oder nicht — und diejenigen, die einen dicken Geldbeutel haben, werden wohl doch den Vortritt haben.

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