Bewohnerin klagt:Leben in der Asbestfabrik

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"Ach, nur Dichtungen": Ein Vermieter hat verschwiegen, dass in seinem Haus einst giftge Garne produziert wurden - nun klagt die Bewohnerin.

Ekkehard Müller-Jentsch

Elke K. war wie vom Donner gerührt, als sie dem Bereitschaftsarzt nachschaute. "Sie trauen sich aber was", hatte der nach der Kurzvisite bei einem ihrer grippekranken Kinder gesagt. "Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie in einer früheren Asbestfabrik wohnen?" Natürlich hatte die Juristin davon keine Ahnung. "Ach, nur Dichtungen", habe der Vermieter bei der Hausbesichtigung auf ihre Frage erklärt, was in der früheren Gewerbeimmobilie einst so gemacht worden sei.

Elke K. sieht sich durch diese Aussage vor ihrem Einzug nun arglistig getäuscht und streitet seither mit dem Hausherrn. Weil Räume aufgrund solch einer problematischen Vergangenheit unbewohnbar seien, wie sie meint, hatte sie die Mietzahlung sofort eingestellt. Doch der Mietrichter in der ersten Instanz beurteilte den Fall ganz anders.

Das Anwesen in dem Münchner Vorort war der Mutter als Wohnung für sich und ihre beiden halbwüchsigen Söhne geradezu ideal erschienen. Zumal die Freiberuflerin auch noch weitere Räume für ihr Büro dazu mieten konnte. Erst nach dem Hinweis durch den Bereitschaftsarzt hatte sie in Erfahrung gebracht, dass 30 Jahre lang auf diesem Areal Asbestgarne gesponnen, getrocknet, gelagert und zu Dichtungen verarbeitet worden waren. Das in der Industrie einst als "Wunderfaser" vielfach eingesetzte Material, ist längst als hochgefährlicher Krebserreger allgemein gefürchtet.

Die Münchnerin hatte sogleich einen Gutachter beauftragt, der auch prompt bei einer Probe im Altstaub eines Kellerraums Asbestfasern entdeckt hatte. Der Mietrichter am Amtsgericht wollte allerdings nicht ausschließen, dass diese Fasern von Außen in das Gebäude gelangt seien könnten - der Gutachter hatte sie nämlich vom Sattel eines im Keller verstaubten Fahrrades genommen.

Nach Ansicht des Richters hätte Elke K. noch weitere Staubproben aus ihrer Wohnung analysieren lassen müssen, um den eindeutigen Nachweis anzutreten, dass das Haus durch die frühere Asbestverarbeitung belastet ist. So aber sah der Richter "keinen hinreichend konkreten Verdacht". Da es streitig sei, ob hier ein "Altlastenverdacht" vorliege, hätte die Mieterin diesen durch die Auswertung weiterer Proben klären lassen müssen. Der Amtsrichter gab in dem Streit (in dem es auch noch um einige mietstreittypische Nebenaspekte ging) dem Hausherrn recht.

Die Frau legte Berufung beim Landgericht MünchenI ein: Man dürfe Vermietern mit solch einem Urteil keinen Freibrief erteilen, bedenkenlos potenziell mit Gefahrstoffen belastete Räume zu vermieten, "solange es der Mieter nicht bemerkt". Unfreiwillig mit solchen Stoffen konfrontiert zu werden, gehöre gewiss nicht zum "allgemeinen Lebensrisiko" eines Mieters. Um im konkreten Fall die Wohn- und Arbeitsräume auf Asbestfasern zu überprüfen, wären aufwändige Raumluftmessungen notwendig, bei denen 24 Stunden lang die Luft aufgewirbelt und dabei analysiert wird. Das für sei für sie als alleinerziehende Mutter viel zu teuer. Wenn der Vermieter, wie er behauptet, nichts zu verbergen gehabt habe, hätte er die Wahrheit sagen können.

Der Hauseigentümer ging, wie auch in der ersten Instanz, nicht auf die Fragen nach Dekontaminierungsarbeiten oder Schadstoffmessungen ein und versicherte lediglich, dass es in den vermieteten Räumen keine solche Belastung gebe.

Das Gericht will Anfang Juli eine Entscheidung verkünden.

© SZ vom 04.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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