Becksteins Entbürokratisierungsplan:Bayerns Wirtshäuser ohne Häuserl

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Wenn es nach dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein geht, müssen Gaststätten mit weniger als 200 Plätzen künftig keine Toiletten mehr nachweisen. Dadurch soll das Baurecht vereinfacht werden.

Von Astrid Becker

Hintergrund für diesen Vorstoß ist die im Zuge der Entbürokratisierung geplante Änderung des bayerischen Baurechts. Becksteins Idee stößt bei den Wirten auf geteiltes Echo und im Bayerischen Landtag auf Widerstand. So hat der Wirtschaftsausschuss das Ministerium bereits aufgefordert, den Vorschlag zu überdenken.

"Das Ganze ist unüberlegt und ein Skandal", schimpft der Landtagsabgeordnete Hermann Memmel (SPD). Ausgangspunkt für Becksteins Vorstoß ist, dass viele Gaststätten - rein juristisch - bereits als Versammlungsstätten gelten, für die es wiederum eine eigene gesetzliche Regelung gibt.

Deshalb hält Beckstein die Gaststättenbauverordnung für überflüssig und will sie durch die Versammlungsstättenverordnung ersetzen. "Die gilt aber erst für Gaststätten ab 200 Plätzen", sagt Memmel. Das heißt: Wenn Becksteins Idee in die Tat umgesetzt würde, entfiele für alle Gaststätten bis zu dieser Größe die Toilettenpflicht. "Das kann doch nicht sein", wettert der SPD-Politiker. "Wenn es immer mehr Gaststätten ohne Toiletten gibt, wo verrichten die Menschen dann ihre Notdurft?"

Auch unter den Wirten wird über die Idee des Innenministers heftig gestritten. Während die einen den Vorstoß begrüßen, "weil man sich auf diese Weise die enormen Kosten für Bau und Unterhalt dieser Anlagen spart, außerdem nicht mehr so viel Quadratmeter dafür verschwenden muss und deshalb mehr Raum für Gastplätze gewinnt", wie ein Wirt, der anonym bleiben will, die Meinung vieler zusammenfasst, befürchten die anderen weitere Verluste im Mittagsgeschäft. Denn die neue Regelung hätte zur Folge, dass Bäckereien und Metzgereien Tische in großer Anzahl aufstellen dürften - ohne, wie bisher vorgeschrieben, sanitäre Anlagen bereit zu stellen.

"Vorteile daraus haben nur das Lebensmittelhandwerk und der Lebensmittel-Einzelhandel. Die Wirte hingegen haben wieder mal das Nachsehen", meint Memmel , der sich schon zu seinen Zeiten als Münchner Stadtrat für die Gastronomie stark gemacht hat. Memmel fordert daher, die Toilettenpflicht, wie in der Gaststättenbauverordnung geregelt, beizubehalten. Dort wird genau vorgeschrieben, wie viele Toiletten ein Gastwirt - je nach Größe seines Lokals - vorzuweisen hat.

So muss beispielsweise ein Gasthaus mit 50 Plätzen bisher über jeweils eine Herren- und eine Damentoilette sowie zusätzlich über zwei Urinale oder über eine zwei Meter lange Pinkelrinne verfügen. Bei bis zu 200 Plätzen erhöhen sich die Zahlen auf jeweils zwei Schüsseln für Damen und Herren, vier Urinale oder drei Meter Rinne.

Zusammen mit weiteren Mitgliedern seiner Fraktion stellte Memmel jetzt einen Antrag, die bisherige Regelung im Rahmen des neuen Bauordnungsderegulierungsgesetzes auf keinen Fall zu ändern. In seiner Begründung beruft er sich auf den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (BHG), der in einem Brief an alle Landtagsabgeordneten eindringlich davor warnt, Becksteins Vorschlag zuzustimmen. Der BHG will sich zu diesem Thema allerdings noch nicht öffentlich äußern: "Bevor nichts entschieden ist, sind wir zu keiner Stellungnahme bereit", sagt Sprecher Frank-Ulrich John.

Memmels Antrag fand bereits im Wirtschaftsausschuss breite Zustimmung - auch bei der CSU. Bis auf eine Enthaltung waren sich alle Ausschuss-Mitglieder einig: Die Staatssregierung müsse noch einmal prüfen, welche Mindestanforderungen in Sachen Toilettenpflicht beibehalten werden sollen. Das Thema steht am 30. März im Landtag auf der Tagesordnung.

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