Bayerisches Kriegsarchiv:Mein Urgroßonkel, der Gebirgsschütze

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Ein Privatunternehmen digitalisiert Tausende Bände aus dem Kriegsarchiv - eine Fundgrube für Ahnenforscher.

Michael Tibudd

Es klingt ein wenig so, als seien Lothar Saupe und seine Mitarbeiter der Verzweiflung nahe gewesen. "Wir haben lange nach Sponsoren gesucht", sagt der Leiter des Kriegsarchivs im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. "Wir hätten sogar Geld von Öl- oder Tabakkonzernen genommen."

Im Bayerischen Kriegsarchiv lagern Tonnen von Papier mit Informationen über bayerische Soldaten im ersten Weltkrieg. Nun werden die Kriegsstammrollen mit Hilfe der Firma Ancestry digitalisiert. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

All die Tonnen Papier, die auf einem Dutzend Kilometern Länge in den Regalen des Gebäudes an der Leonrodstraße lagern, darauf Millionen Einträge über die Bevölkerung in Bayern vergangener Jahrhunderte - und niemand wollte dafür bezahlen, dass die Daten ins digitale Zeitalter hinübergerettet werden. Bis die Leute von der Firma Ancestry kamen und die Sache erledigten.

Diese Episode aus dem Hauptstaatsarchiv steht beispielhaft für die Zusammenarbeit zwischen Archiven und privaten Unternehmen unterschiedlicher Art und somit dafür, was auf Geschäftsdeutsch Public-Private-Partnership heißt. Im konkreten Fall gingen seit Frühjahr 2008 Mitarbeiter des Internetportals Ancestry.de im Kriegsarchiv ein und aus.

Online-Archiv auch zugänglich für interessierte Laien

Das Portal bietet interessierten Laien die Möglichkeit, über das Netz Ahnenforschung zu betreiben und somit also die Lücken im Familienstammbaum zu schließen. Objekte der Begierde für das Unternehmen waren die 23000 Bände voller Bayerischer Kriegsstammrollen - jener Akten also, die die königlich bayerische Armee während des Ersten Weltkriegs 1914 bis 1918 über ihre Soldaten anfertigte.

Sie enthalten Informationen über Truppengattung, Einsatzorte oder Verletzungen. Aber auch, und das macht sie für eine Ahnenforschungs-Datenbank interessant, Geburtsdaten und vor allem Namen von Angehörigen - Ehefrau und Kinder ebenso wie Eltern samt Berufsbezeichnung.

Die ersten knapp 5000 digitalisierten Bände will Ancestry nun am Mittwoch kommender Woche in sein Online-Angebot einfügen. "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, eigene Verwandte zu finden", verspricht das Unternehmen. Wer bereit ist, 30 Euro für eine halbjährige "Premium-Mitgliedschaft" zu bezahlen, erhält damit Zugang zu diesen und unzähligen weiteren Daten und kann herausfinden, ob das stimmt.

Familienforscher als wichtige Geldeinnahmequelle

"Familienforscher sind eine Geldeinnahmequelle für Archive", sagt Michael Diefenbacher, Vorsitzender des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare. Er sieht also vor allem ein zweckorientiertes Miteinander. Insbesondere kommunale und kirchliche Archive profitierten vom Wunsch vieler Menschen, etwas über ihre Ahnen zu erfahren. Staatliche hingegen zumindest in Bayern nicht unmittelbar - Familienforscher dürfen die Archive ebenso wie professionelle Wissenschaftler kostenlos nutzen.

Anders freilich ist das für ein kommerzielles Internetportal. Zwar fließt nicht unmittelbar Geld. Allerdings stellt eben Ancestry das Personal, das noch bis Mitte 2010 mit zudem hohem technischen Aufwand die restlichen Kriegsstammrollen digitalisiert. Das Portal darf sie danach für seine Zwecke nutzen, das Archiv bekommt Kopien der Daten. "Wenn wir das selber machen müssten, würde das Jahrzehnte dauern", sagt Archivleiter Saupe.

In Kooperationen wie diesen lassen sich viele Archive und Bibliotheken aus der Privatwirtschaft unterstützen. In München arbeitet etwa die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) mit Google zusammen. Der Internetriese hat 2007 begonnen, die eine Million urheberrechtlich nicht geschützten Bände des Hauses aus dem 17. bis 19. Jahrhundert zu scannen. Die BSB erhält ihrerseits sämtliche Dateien in digitaler Form.

© SZ vom 06.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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