Baupolitik:Kronawitter facht Hochhaus-Debatte an

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Der Alt-OB übt Kritik an "Megaprojekten zur Mietervertreibung" und sieht den Stadtrat als Erfüllungsgehilfen.

Alfred Dürr

Nichts ist es mit dem ungeschriebenen Gesetz, sich als Elder Statesman bloß nicht ins aktuelle politische Geschäft einzumischen und schon gar nicht dem Nachfolger aus der eigenen Partei in die Parade zu fahren: Georg Kronawitter, 74, sehr streitbarer Alt-Oberbürgermeister im Ruhestand, gibt einfach keine Ruhe bei seinem Kreuzzug gegen neue Hochhaus- sowie andere Stadtentwicklungsprojekte und verschont dabei am allerwenigsten OB Christian Ude sowie die Genossen aus der SPD.

Kronawitter, der sich im vergangenen Jahr mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit wandte und dann aus Rücksicht auf die OB- und Stadtratswahlen eine Kampfpause einlegte, ist in nahezu allen grundsätzlichen Fragen der Stadtplanung völlig über Kreuz mit der Rathausführung und der Mehrheit des Stadtrats.

"Es regt mich sehr auf", sagt Kronawitter, "denn die Mieter werden immer mehr zu den großen Verlierern der Stadtentwicklung." München sei aus dem Gleichgewicht gekommen, lautet Kronawitters Kernthese: "Kritiklos wird der Bau von immer neuen Büro-Arbeitsplätzen genehmigt, aber andererseits die Schaffung erschwinglicher Wohnungen extrem reduziert."

Man erwarte die Schaffung von bis zu 40.000 Arbeitsplätzen innerhalb der kommenden fünf Jahre. Aber nur ein Bruchteil preiswerter Wohnungen werde gebaut - rund 1800 jedes Jahr. Die zweite Frage, die den Alt-OB umtreibt: "Kann die Verschandelung des Münchner Stadtbildes durch den Bau von 25 Hochhäusern noch verhindert werden?"

Kritik an den Plänen des Süddeutschen Verlags

Speziell attackiert Kronawitter die geplante neue Konzernzentrale des Süddeutschen Verlags. Mit 151 Metern soll am östlichen Stadtrand in Steinhausen das höchste Gebäude der Stadt entstehen. Das Haus mit 2000 Arbeitsplätzen könne auf dem kleinen Grundstück nicht gebaut werden, so Kronawitter: "Es käme zudem nahe an eine nicht erlaubte Begünstigung eines Grundbesitzers und Investors heran." Der Stadtrat dürfe sich nicht zum "Erfüllungsgehilfen" von Großunternehmen machen.

Zweites Ziel des Angriffs: "Isar Süd", das von Siemens geplante Stadtviertel mit zwei Hochhäusern. Da nur eine neue Wohnung auf neun neue Arbeitsplätze komme, spricht Kronawitter von einem "gigantischen Megaprojekt für die Mietervertreibung". Schließlich wendet sich Kronawitter auch noch gegen die an der Friedenheimer Brücke vorgesehenen fünf nebeneinander stehenden Hochhäuser mit jeweils bis zu 150 Metern Höhe.

Was Stadtbaurätin Christiane Thalgott für einen markanten und buchstäblich herausragenden Akzent der neuen Entwicklungsachse an der Bahnstrecke Pasing-Hauptbahnhof hält, bezeichnet er als "so überflüssig wie ein Kropf".

Kronawitter kann sich richtig in Rage reden, wenn es um "Mega-Projekte" geht, die sein Amtsnachfolger Christian Ude ja besonders befürworte. "Baurecht beantragen, zubetonieren, verkaufen", das sei die Maxime der "Shareholder-Value-Zombies". Wahlweise spricht er auch in Anlehnung an seine früheren heftigen Auseinandersetzungen mit dem Bau- und Brauunternehmer Josef Schörghuber vom "Schörghuber-Value-Prinzip".

"Vermarktung der Altstadt"

Neu dabei ist, dass Kronawitter jetzt auch die "Vermarktung der Altstadt" anprangert. Ganz gleich, ob es sich um den "Glaspalast" am Löwenturm handele, um den Alten Hof oder um die Bebauung am Marstallplatz hinter der Oper - immer dominiere nur das "Profit-Prinzip". München sei auf dem raschen Weg "zu ein bisschen Florenz und zu ein bisschen Frankfurt". Das aber wäre, so Kronawitter, "die größte Verschandelung und Verhunzung unserer Stadt".

Zumindest solle jetzt in der SPD eine intensive Debatte über seine Thesen geführt werden, verlangt Kronawitter. Im Chefbüro des Rathauses war es gestern still - OB Christian Ude hat Ferien.

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