Ausländer:Für Fremde keine Wohnung

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Ausländer- und Mieterbeirat tagen gemeinsam

Thomas Münster

(SZ vom 15.6.2001) - In München eine Mietwohnung aufzutreiben, ist angesichts der Marktlage für fast jeden ein mühseliges Unterfangen, vor allem für Kleinverdiener und Familien mit Kindern. Für Familien ausländischer Herkunft ist es - von Glücksfällen abgesehen - fast schon ein Ding der Unmöglichkeit.

Ein krasses Gefälle der Benachteiligung stellten nun auch Ausländerbeirat und Mieterbeirat bei einer gemeinsamen Sitzung fest. So leben ausländische Haushalte auf im Durchschnitt neun Quadratmetern weniger Wohnfläche pro Person als deutsche. Dabei zahlen sie für den knapperen Wohnraum deutlich mehr als Einheimische.

Der Anteil von Ausländerhaushalten, die 40 Prozent und mehr ihres Einkommens für die Miete zahlen, liege mit 27 Prozent fast mehr als doppelt so hoch wie der entsprechende Anteil deutscher Haushalte. So zitierte Cumali Naz, der Vorsitzende des Ausländerberats, aus einer Studie zum Thema "Wohnungssituation".

Probe aufs Exempel

Der Mieterbeirat hat das auch mit vielen anderen Zahlen belegte Missverhältnis ausgetestet. Auf Dutzende Wohnungsannoncen aus der Tagespresse meldete sich telefonisch eine Testerin, Filiz Freifrau von Therman, mit erkennbar fremdem Akzent unter dem Namen Öztürk als Bewerberin. Die meisten Wohnungen waren "leider schon vergeben".

Die Beiratsvorsitzende Helga Stockreiter machte unter den selben Rufnummern die Gegenprobe: Plötzlich waren mehr als die Hälfte dieser Wohnungen doch noch zu haben.

Quoten-Streit

Danach stritten sich die Parteien um die Belegung der Münchner Sozialwohnungen. CSU-Stadtrat Mario Schmidbauer, der Ausländerbeauftragte seiner Fraktion, präsentierte eine "Schätzung", dass bei Neubelegung von Sozialwohnungen 70 Prozent Ausländer einzögen.

Hier widersprach ihm die SPD-Stadträtin Gertraud Walter. Nach amtlichen Zahlen liege die Quote bei 40 Prozent. Das sei immer noch viel bei einem Bevölkerungsanteil von insgesamt rund 25 Prozent, räumte sie ein. Allerdings würden auch Ausländer mit deutschem Pass, juristisch und faktisch Deutsche, dieser Kategorie zugeordnet.

Die Stadt müsse sich jedoch in der Praxis an die Kriterien der Wohnungszuteilung halten: "Wenn die Stadt Wohnungen für Familien mit vier Kindern baut, muss auch eine Familie mit vier Kindern einziehen; wenn keine deutsche Familie diese Bedingung und die niedrige Einkommensbegrenzung erfüllt - soll die Stadt dann die Wohnung vielleicht leerstehen lassen?"

"Sie sind dumm"

Schmidbauer rieb sich auch an anderen Zahlen: Laut Naz würden Sozialwohnungen zu 14,3 Prozent von Ausländern, zu 14 Prozent von Deutschen belegt. Das sei doch wohl nicht möglich, meinte er, da blieben ja mehr als 70 Prozent unbelegt. Zwischenruf aus dem Plenum: "Hier handelt es sich um Prozentzahlen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung".

Beim Stichwort Kinderreichtum fiel Schmidbauer ein, dass er selbst als junger Familienvater mit zwei Kindern Probleme bei der Wohnungssuche gehabt habe.

Das sei ja wohl Ausdruck allgemeiner "Kinderfeindlichkeit" dieser Gesellschaft, wurde ihm aus dem Plenum entgegengehalten, das könne man doch nicht unter dem Stichwort "Ausländerfeindlichkeit" von Vermietern wegräumen. Da rastete Schmidbauer aus: "Sie sind doch verbohrt, borniert und dumm. Das sage ich hier in aller Deutlichkeit".

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