Ausbildung:"Die Arbeitgeber verlangen heute mehr - zu Recht"

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Arbeitslosigkeit betrifft auch diesen Herbst viele junge Münchner. Arbeitsagentur-Geschäftsführer Hans Werner Walzel über die Ausbildungs-Chancen von Jugendlichen.

Doris Näger

Es ist Anfang Oktober - und 213 junge Münchner haben noch keinen Ausbildungsplatz. Ursprünglich hatten sich in diesem Jahr 8860 Bewerber bei der Agentur für Arbeit gemeldet. Warum die kleine Restgruppe noch nichts hat, erklärt Hans Werner Walzel, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur.

Arbeitsagentur-Geschäftsführer Hans Werner Walzel hält die gestiegenen Anforderungen der Arbeitgeber an Auszubildende für berechtigt. (Foto: Foto: AP)

SZ: Sind 213 besonders wenige? Walzel: Im letzten Jahr waren es 287. Insofern liegen wir ähnlich wie vergangenes Jahr. Dabei geht es aber immer nur um die ausbildungsfähigen Bewerber.

SZ: Warum finden die 213 nichts? Walzel: Bei vielen passt der Berufswunsch nicht zur Qualifikation - und die auch nicht zur Anforderung des Arbeitgebers.

SZ: Es gibt aber noch genügend offene Stellen. Walzel: 681 Ausbildungsplätze sind noch frei - in den verschiedensten Branchen, auch in attraktiven: 183 Stellen bei den Warenkaufleuten, 133 bei den Bürofachkräften. Daran macht sich eine interessante Analyse fest: Die Anforderungen der Arbeitgeber sind gestiegen.

SZ: Sind diese Anforderungen nicht auch überzogen? Walzel: Ich halte sie für berechtigt. Ich würde als Arbeitgeber genauso reagieren. Ich würde mir auch genau überlegen, wen ich ausbilde. Ich hole doch die Jugendlichen, um sie zu übernehmen und als wertvolle Fachkraft einzusetzen.

SZ: Sie fordern als Konsequenz daraus bessere Hauptschulen. Walzel: Diejenigen, die sich am schwersten tun, sind die Hauptschüler ohne oder mit einem sehr schlechten Abschluss. Ich begrüße unendlich, dass jetzt endlich die Reformdiskussion um die Hauptschulen in Gang gekommen ist. Wir haben einen hohen Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sie müssen speziell und besser gefördert werden als bisher.

SZ: Sie sprachen anfangs von ausbildungsfähigen Jugendlichen. Es gibt also auch welche, die nicht ausbildungsreif sind? Walzel: Wer zu uns kommt, erhält im Gespräch einen so genannten Einstiegscheck. Danach wird er eingestuft. Seit Jahren gibt es in München das Berufsgrundschuljahr, eine schöne Kooperation mit der Stadt, das gibt es so anderswo nicht. Dieses und unsere Lehrgänge ermöglichen es Jahr für Jahr, dass mehr als 2000Jugendliche, die nicht ausbildungsfähig sind, nicht in ein Loch fallen, sondern mindestens ein Jahr noch einmal üben können, um die Ausbildungsreife zu erhalten.

SZ: Was lernen die Jugendlichen im Berufsvorbereitungsjahr? Walzel: In erster Linie geht's um Sprache, in zweiter Linie um Sozialisation. Und in dritter Linie um Grundwissen, Basiswissen der Hauptschule. Die Zahl der Jugendlichen ist jedes Jahr fast gleich. Dieses Jahr haben wir noch 1300 Plätze frei.

SZ: Nach diesem Jahr reihen sie sich dann als Bewerber wieder ein? Walzel: Diesmal als Altbewerber, ja. Das sind rund 1000 von den ursprünglich 8860 registrierten Bewerbern. Diese Zahl hat sich stabilisiert.

SZ: Verbessert die anziehende Konjunktur nicht die Chancen für Bewerber mit einem weniger guten Zeugnis? Gewerkschafter unterstellen ja, dass es leichter wäre für die schlechter Qualifizierten, wenn es mehr Lehrstellen gäbe. Walzel: Das kann man so nicht sagen. Im Vergleich zu früher hat sich die Wettbewerbssituation für viele Unternehmen verändert. Die Betriebe setzen auf Qualität, weil sie sich damit durchsetzen und nicht, weil sie billiger sind. Und dafür brauchen sie Fachkräfte.

SZ: Können die Berufsberater jetzt, nach dem Start des Ausbildungsjahres, erst mal durchatmen? Walzel: Nein, für alle, die noch nichts haben, also die 213, aber auch alle anderen, die sich vielleicht noch gar nicht bei uns gemeldet haben, gibt es am 17.Oktober in unserem Berufsinformationszentrum eine Nachvermittlungsaktion.

© SZ vom 12.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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