Arzt zu Schmerzensgeld verurteilt:Operation unnötig, Patient leidet

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Ein Chirurg verpasst einer gesunden Frau ein künstliches Hüftgelenk. Diese leidet seitdem an den Folgen der Operation. Nun muss der Arzt 40.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Ein Münchner Chirurg hat einer offenbar gesunden Frau ein künstliches Hüftgelenk implantiert. Durch eine Panne bei diesem anscheinend sinnlosen Eingriff erlitt die damals 71-jährige Patientin erhebliche Folgeschmerzen und musste auch noch nachoperiert werden. Das Landgericht MünchenI hat den Arzt deshalb zu 40.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt, außerdem muss er der Seniorin alle materiellen Schäden ersetzen. Der Doktor hat sofort Berufung eingelegt.

Operation mit Folgeschaden (Foto: Foto: dpa)

Die mittlerweile 82-Jährige hatte seit Mitte der neunziger Jahre unter Schmerzen im Bereich der rechten Leistengegend mit Ausstrahlung ins Knie gelitten und fühlte sich in ihrer Alltagsbeweglichkeit stark eingeschränkt. Der von ihr konsultierte Arzt, ein auf Endoprothetik von Hüften und Knien spezialisierter Chirurg, fertigte Röntgenaufnahmen an.

OP verursacht Riss im Knochen

Er diagnostizierte eine sogenannte Coxarthrose: Die zunehmende Zerstörung des Gelenkknorpels, die letztlich auch weitere Gelenkstrukturen wie Gelenkkapsel, Knochen und die zugehörige Muskulatur schädigt. Der Doktor verabredete mit der Frau die Implantation einer "Hybridprothese", bei der die Gelenkpfanne zementfrei verankert und der Schaft mit Knochenzement befestigt wird. Den Eingriff führte der Chirurg als Belegarzt in einer Privatklinik durch. Bei der OP entstand ein kleiner Riss in einem Knochen.

In der Folge musste die Patientin lange liegen und erlitt dadurch ein schmerzhaftes Wundliegegeschwür. Außerdem musste ein Jahr später in einer Münchner Universitätsklinik die "Pfanne" der Hüftprothese ausgewechselt werden.

Die geplagte Seniorin wandte sich an den Juristen Bernhard Giese, der in Tübingen ein Institut für Medizinschaden-Begutachtung leitet. Der beauftragte den Münchner Anwalt Werner Trauschel mit der Klage gegen den Arzt.

OP medizinisch unverständlich

Das Landgericht MünchenI ließ durch einen Professor für Orthopädie, Rheumatologie und Chirurgie ein Gutachten anfertigen. In seiner Expertise kommt dieser Fachmann zu der Feststellung, dass die Hüftgelenks-Implantation nicht indiziert gewesen sei. Zwar seien Leistenbeschwerden durchaus eine mögliche Folge von Hüftproblemen. "Jedoch passen die Röntgenaufnahmen nicht dazu, da diese einen ausreichenden Gelenkspalt zeigen", erklärte der Gutachter.

Die Operation sei angesichts des von einer massiven Arthrose weit entfernten Röntgenbefundes unverständlich und in keiner Weise nachvollziehbar. "Insgesamt verstößt die Vorgehensweise in einem Ausmaß gegen elementare medizinische Grundkenntnisse, dass sie aus medizinischer Sicht schlechterdings unverständlich ist", heißt es in dem Gutachten.

"Grober Behandlungsfehler"

Der beklagte Arzt hätte unbedingt weitere Untersuchungen anstellen müssen, stellte daraufhin das Gericht fest. Neben weiteren Röntgenaufnahmen sei das etwa die Injektion bestimmter Mittel. Hier liege eindeutig ein "Fall der unterlassenen Befunderhebung" vor. Die dennoch durchgeführte Operation sei ein "grober Behandlungsfehler".

Der Arzt hatte diesen Vorwurf mit dem Argument zurückgewiesen, dass er auf diese "Probeinjektion" wegen des Infektionsrisikos verzichtet habe. Gerade bei einer Hüftgelenksimplantation bestehe ebenfalls ein erhebliches Infektionsrisiko, bemerkt dazu das Gericht. Es sei also nicht nachvollziehbar, dass der Arzt auf weitere Abklärung seiner Indikation verzichtet habe. Es verurteilte daraufhin den Doktor zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz (Aktenzeichen:9O17893/03).

Weil der Chirurg dagegen Rechtsmittel eingelegt hat, muss der Fall demnächst vor dem Oberlandesgericht München erneut verhandelt werden.

© SZ vom 05.09.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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