Arzt wegen sexueller Nötigung angeklagt:Therapeut soll Patientin missbraucht haben

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An Bulimie erkranktes Opfer erhebt vor Gericht schwere Vorwürfe - der 56-Jährige bestreitet sie entschieden.

Alexander Krug

Wenn stimmt, was die junge hübsche Frau auf dem Zeugenstuhl im Amtsgericht erzählt, dann müsste sich der Mann auf der Anklagebank in Grund und Boden schämen. Nicht nur sein Renommee als Psychotherapeut wäre ein für alle Mal dahin, auch die gesamte Branche geriete in Misskredit.

Fritz H. (alle Namen sind aus Schutzgründen geändert) ist angeklagt wegen sexueller Nötigung. Der 56-Jährige soll in seiner Praxis eine Patientin mit einer ,,Körpertherapie'' behandelt haben, die sich darin erschöpfte, dass er die junge Frau mehrmals an Brust und Genitalien manipulierte.

Dr. Fritz H. ist seit vielen Jahren als Internist und Psychotherapeut tätig. Ende 2004 kam Susanne S. auf Empfehlung einer Münchner Beratungsstelle zu ihm. Die 27-Jährige litt damals an Bulimie (Ess- und Brechsucht), wog 45 Kilogramm bei 1,70 Meter Körpergröße.

Die Praxis war immer leer

,,Er erzählte mir, dass er eine Körpertherapie mache, die nur eine handvoll Ärzte in ganz Deutschland beherrschten. Sie sei sehr effektiv und benötige nur zehn Therapiesitzungen.''

Der Schilderung der Zeugin zufolge war die Praxis immer leer, wenn sie zu den Sitzungen kam. Sie musste sich auf eine Couch legen, und Fritz H. begann, sie am ganzen Körper abzutasten.

Bei der ersten Sitzung habe er nur ,,die Hand auf meinen Bauch'' gelegt, später hätten sich die Berührungen gesteigert, am Ende habe sie sich ausziehen müssen, er habe ihr an die Brust und zwischen die Beine gelangt. ,,Er sagte dabei immer, spüren Sie Ihren Körper, spüren Sie sich.''

Nach diesen Sitzungen sei sie immer verwirrt gewesen und habe sich geschämt. ,,Ich konnte das nicht einordnen, ich war völlig perplex. Er sagte, das ist normal, das wird sich legen.'' Man müsse auch körperlich seine Grenzen ausloten.

Vertrauensbruch

Nach der vierten Sitzung habe sie die ,,Therapie'' schließlich abgebrochen. Noch heute fühle sie ,,Ekel und Scham'', wenn sie daran danke, so Susanne S. ,,Ich bin da wegen Bulimie hingegangen. Aber das war keine Therapie. Das ist ein absoluter Vertrauensbruch, wenn ein Arzt so etwas macht.''

Fritz H. bestreitet die Vorwürfe entschieden: ,,Das stimmt alles nicht.'' Nach seiner Version war Susanne S. damals in einem ,,sehr labilen Zustand''. Sie habe eine ,,hochproblematische'' Kindheit mit einem gewalttätigen Vater erlebt und sei ständig zwischen euphorischen und depressiven Zuständen geschwankt.

Er habe ihr zu einer stationären Therapie in einer Spezialklinik geraten und ihr dies in einigen Beratungsgesprächen auch versucht näherzubringen. Susanne S. sei ,,enttäuscht'' gewesen, habe die Entscheidung aber letztlich akzeptiert.

"Autoerotischer Ansatz"

Das einzige, wozu er ihr therapeutisch geraten habe, sei ein ,,autoerotischer'' Ansatz gewesen. ,,Ich sagte ihr, sie solle sich mal selbst streicheln vor einem Spiegel. Sie sagte mir hinterher, das sei ganz toll gewesen.''

Nach der Anzeige sei er "aus allen Wolken'' gefallen. Es hätte niemals eine ,,körperliche Berührung'' zwischen ihnen gegeben, auch hätte sie nie auf der Couch gelegen, sondern nur auf einem Stuhl gesessen.

Rechtsanwalt Ulrich Ziegert, Verteidiger von Fritz H., will zum nächsten Termin ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Zeugin beantragen. Der Amtsrichter weist diese nochmals eindringlich daraufhin, wie entscheidend ihre Aussage sei. Susanne S. bleibt bei ihren Vorwürfen: ,,Es ist alles so passiert.''

© SZ vom 15.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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