Architektur in Gewerbegebieten:Der Zweck heiligt die Form

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Gewerbegebiete sind meist triste und hässliche Orte - doch ein paar Architekten wollen ihnen eine neue und zeitgemäße Gestalt geben.

Alfred Dürr

Sie gelten als die architektonischen Hinterhöfe der Stadtlandschaft: eine Ansammlung von Industriebauten, meist ohne jeden Anspruch auf Schönheit. Hauptsache, sie erfüllen ihren Zweck und ihre Funktion. Sie bedecken große Flächen des Stadtgebietes, aber schöner wird die Stadt dadurch nicht.

Das Büro Deppisch aus Freising errichtete das filigrane "Biohotel im Apfelgarten" in Hochenbercha. (Foto: Foto: SZ/oh)

Schon 1965 zürnte der wortgewaltige Psychologe Alexander Mitscherlich in dem Buch "Die Unwirtlichkeit unserer Städte" über die Unansehnlichkeit dieser neuen Bauten: "Eine Städtebauordnung, die mehr an den banalsten Formalien herumkommandiert, als sich je einen Gedanken zu machen, worauf eigentlich die Hausbewohner blicken, wenn sie ans Fenster ihrer teuer erkauften oder zu horrenden Preisen gemieteten Wohnung treten - das ist der an Anschaulichkeit kaum zu übertreffende Beweis für einen Zerfallszustand der Gesellschaft."

Hülle für den Bauhof

In München, wo das Gewerbe immerhin noch boomt und Bauplätze sucht, versuchen die Planer schon seit einiger Zeit, von diesem Negativimage wegzukommen. Die Messestadt Riem oder Freiham zeigen in ihren Wirtschaftszonen schon eine bemerkenswert hohe Qualität beim Bauen. Zunehmend beschäftigen sich auch Architektenbüros mit den Immobilien für kleinere Unternehmen.

"Das Bild einer Stadt wird nicht nur durch die bekannten, repräsentativen Gebäude geprägt, wir müssen auch auf eine gute Gestaltung der Gewerbegebiete Wert legen", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Die Hypo-Real-Estate-Stiftung hat im Rahmen ihres diesjährigen bundesweiten Preises auch zwei Münchner Büros für vorbildliche Gewerbebauten ausgezeichnet. Für alle Preise stehen 20000 Euro zur Verfügung, die Projekte sind Beispiele für herausragende Entwicklungen bei reinen Zweckbauten.

Seit 50 Jahren befindet sich zum Beispiel der Baustoff-Fachhandel Kraft auf dem Areal an der Drygalski-Allee. In der Nachbarschaft sind Wohnhäuser und andere Betriebe. Dieser Standort in der Stadt sollte nicht nur erhalten, sondern auch besser in die Umgebung integriert werden. Im Zuge einer Generalsanierung wollte man die innerbetrieblichen Abläufe und den Service verbessern.

Die Lage in der Stadt hat einen großen Wert, denn die Kunden müssen nicht erst an die Peripherie fahren, um Material für die Baustellen in der Stadt einzukaufen. Das Verkehrsaufkommen wird geringer. Das junge Büro "03 München Garkisch Schmid Wimmer" hat dem Traditionsunternehmen Kraft buchstäblich eine moderne Hülle verpasst. Der Standort wurde mit einer halbtransparenten Fassade aus Kunststoff-Platten umkleidet. Mehrere Gebäude und der Betriebshof seien zu einer wohlgestalteten architektonischen Einheit zusammengefasst worden, heißt es in der Begründung der Jury.

Solche Gewerbeobjekte seien zweifelsohne für Bauherrn und Planer eine große Herausforderung, sagen Karin Schmid und Michael Wimmer vom Büro 03 München. Es gibt hohe Auflagen wie genügend Freiräume zwischen den Gebäuden oder Dachbegrünungen und Schallschutz, das kostet viel Geld. Dennoch seien solche Maßnahmen nötig, "um Betrieben in der Stadt überhaupt eine Perspektive zu geben". So fänden deren Häuser auch mehr Zustimmung bei der Bevölkerung. Aus schäbigen Gewerbezonen würden attraktive Standorte für Produktions- und Handelsbetriebe, deren Erscheinungsbild zudem für die Firma werbe.

Das Münchner Büro Florian Nagler Architekten wurde für einen ganz besonderen Funktionsbau ausgezeichnet - einen Kuhstall in Dietramszell-Thankirchen, in der oberbayerischen Voralpenlandschaft. Entstanden ist eine einfache Holzkonstruktion, die allerdings eine außergewöhnliche Ausstrahlung hat. Architekt Ludwig Wappner, Jurymitglied vom renommierten Münchner Büro Allmann Sattler Wappner, zieht Parallelen zu einem Kirchenbau: "Es zeigt sich, wie man mit wenigen Mitteln etwas Großartiges gestalten kann." Der Gewerbebau-Preis habe eine Vorbildfunktion.

Noch nicht mit einem Preis ausgezeichnet, aber schon bemerkenswert ist ein gerade fertiggestellter Supermarkt der Basic AG im Westen Münchens an der Kreuzung Amalienburg-/Menzingerstraße. Er soll am 17. Dezember eröffnet werden. Das Gebäude, das von dem Münchner Büro Hild und K Architekten zusammen mit Karsten Sieb geplant wurde, fällt aus dem Rahmen.

Der Baukörper hat die Form eines Dreiecks und steigt perspektivisch von einer niedrigen Eingangszone zu einem überdimensionierten Sprossen-Fenster an, das die Straßenansicht des Gebäudes bestimmt. Die Holzkonstruktion des Dachtragwerks ist im Innern sichtbar. Das Niveau des Gebäudes dürfte unter den Lebensmittelmärkten wohl Seltenheitswert haben, meint Architekt Andreas Hild. Zu sehr sei hierzulande das Bild von liebloser Investoren-Architektur geprägt - noch.

© SZ vom 15.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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