Aquariumsgespräch (2): Georg Ringsgwandl:"Ich falle negativ genug auf"

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Seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Größe im Musikgeschäft: Georg Ringsgwandl. Der Mann aus dem Freistaat findet den bayerischen Film überschätzt, lobt Franz Josef Strauß, kritisiert die CSU-Spitze und ärgert sich über die Bürokratie im Gesundheitswesen.

Christina Maria Berr, Hans-Jürgen Jakobs

Sueddeutsche.de: Der Oscar ging kürzlich an Florian Henckel von Donnersmarck; ein Erfolg, der ausgiebig in den Medien gefeiert wird. Ist Deutschland damit eine Kulturnation geworden?

Georg Ringsgwandl. (Foto: Foto: Blankomusik)

Georg Ringsgwandl: Zumindest ist das jetzt die Messlatte. Da sollte man auf die Knie gehen. Dieser Oscar ist wichtiger als die Fußball-WM. Dabei hat es ja gedauert, bis das Geld für den Film beieinander war. Die Bully-Herbig-Streifen werden dagegegen einer nach dem anderen produziert, eigentlich beschämend.

Sueddeutsche.de: Es wird natürlich das produziert, was ankommt, d.h. was im Fernsehen Quoten bringt.

Ringsgwandl: Ich meine, wenn man wirklich was sehen will, was richtig Scheiße ist, dann schaut man sich einen deutschen Fernsehfilm an. Ich hab keine Zeit für sowas. Ich kenne Leute in der Nachbarschaft, die schauen jeden Tag drei, vier Stunden fern. Ich frag mich immer: Wie machen die das? Woher nehmen die die Zeit?

Sueddeutsche.de: Sie reden doch wahrscheinlich mit den Nachbarn darüber.

Ringsgwandl: Nein, ich muss mich ja nicht unbedingt unbeliebt machen, ich falle; eh oft genug negativ auf.

Sueddeutsche.de: Warum?

Ringsgwandl: Viele Weiber schauen mich z.B. schief an, weil ich sag, dass Alternativmedizin Voodookrampf ist. Feldenkrais-Therapie, Akupunktmassage Bachblüten, das ist mir alles zu religiös. Ich hatte als Jugendlicher Tuberkulose und hab nur dank giftiger Antibiotika überlebt, seitdem habe ich ein positives Verhältnis zur Pharmaindustrie. Gepriesen sei die Chemie.

Sueddeutsche.de: Donnersmarcks Oscar-prämierter Film "Das Leben der Anderen''; entstand in München. Auch Erfolgskomödien wie "Wer früher stirbt ist länger tot"; oder "Schwere Jungs" kommen aus dem Freistaatm, für die Regierungspartei CSU ist der Film ein Standortfaktor.

Ringsgwandl: ...wenn das der bayerische Film ist, dann verpflichte ich mich, nie wieder in Bayern aufzutreten.

Sueddeutsche.de: So streng?

Ringsgwandl: Wenn wir uns in Musik, Film, Fernsehen so blöd darstellen, brauchen wir uns auch nicht darüber zu wundern, dass man die Bayern in Norddeutschland als beschränkt betrachtet. Ich weiß auch nicht, von welchem Bayern diese ganzen Neoheimatfilme handeln, ich lebe hier, ich bin hier aufgewachsen, aber ich weiß nicht, wo jemand so redet wie in diesen Filmen.

Sueddeutsche.de: Vielleicht sollten Sie selbst einen bayerischen Film machen.

Ringsgwandl: Ich bin ja nicht größenwahnsinnig. Ich hab ein paar Theaterstücke geschrieben, aber Film ist deutlich schwieriger, dafür muss man bißl mehr können. Außerdem gibt es ja durchaus gute Filme, die laufen zwar oft nur in irgendeinem Programmkino, -auch im Oberland!-, Kaurismäki oder Almodovar zum Beispiel, aber auch ein paar deutsche.

Sueddeutsche.de: Wäre der momentane Politzirkus in Bayern - der Rücktritt des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der Kampf der Diadochen, die Zukunft der schönen Landrätin; nicht vielleicht ein Filmkomödienthema?

Ringsgwandl: Ich wüsste nicht, wen das außerhalb von Wolfratshausen interessieren sollte. Wenn ich ein schlechter Kabarettist wäre, der mit CSU Scherzen sein Einfamilienhaus abzahlt, dann würde ich sowas vielleicht machen - aber momentan hab ich noch was anderes zu tun.

Sueddeutsche.de: So CSU-freundlich kennt man Sie gar nicht.

Ringsgwandl: Ich muß der CSU immerhin lassen, daß sie alles mögliche an Wirrköpfen integriert, von links von der SPD bis rechts von der NPD. Das ist eine beachtlich politakrobatische Leistung.

Der Strauß hatte schon Recht: rechts von der CSU darf es keine Partei mehr geben. Da können sich die potentiellen Jungnazis austoben, ohne dass groß was passiert. Hat man ja beim Aschermittag in Passau gesehen, wo sie die Pauli niedergeschrieen haben.

Sueddeutsche.de: Sie meinen die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Ist das nicht bedenklich, wie die dort behandelt wurde?

Ringsgwandl: Ja, das hatte was leicht Faschistisches. Und dann diese Frau noch als Intrigantin bezeichnen. Die CSU-Spitze war ein verlogener, intriganter Haufen, und diese Frau hat ein klappriges Gebäude durch konsequente Zivilcourage zum Einsturz gebracht.

Was für ein Mut und was für ein Intelligenz. Wer von den alten CSU Kameraden wäre je so ein Risiko eingegangen, aber sie hat's getan, Respekt, eine absolut verehrenswürdige Frau.

Sueddeutsche.de: Wie halten Sie es an Ihrem Wohnort Murnau mit der Lokalpolitik?

Ringsgwandl: Manchmal gehe ich zu einer Bürgerversammlung, ansonsten halt mich raus. Politik ist nichts für mich, ich kann die Klappe nicht halten.

Außerdem sind manche Orte im Oberland geistig derartig versumpft, daß du nur in den Gemeinderat darfst, wenn du nachweisen kannst, dass deine Gehirnströme gleich Null sind. Das ist nichts für mich.

Sueddeutsche.de: Wenn alles so blöd ist in Bayern, warum sind Sie dann noch da?

Ringsgwandl: Erstens, weil ich nicht Hochdeutsch kann. Zweitens die schöne Landschaft und drittens die gesunde Luft, und dann muß man ja auch anerkennen, daß Bayern schon ein ganz ordentlich verwaltetes Land ist. Es gibt ein paar nördliche Bundesländer, die gern über die CSU meckern, aber schau mal, wie es dort zugeht.

Sueddeutsche.de: Sie loben gerade das Erbe von Franz Josef Strauß.

Ringsgwandl: Man kann viel schimpfen über den alten Strauß, -selig. Man könnte sogar behaupten, das war ein Krimineller, aber man muß zugeben: ein Großkrimineller. Der enorme Wohlstand, an den wir uns hier so gewöhnt haben, ist zu einem gewissen Teil ja auch sein Verdienst.

Sueddeutsche.de: Derzeit sind Sie mit Ihrer Gruppe auf Tournee. Was kommt danach?

Ringsgwandl: Ich wälze so verschiedene Eier im Kopf hin und her, und irgendeines von denen brüte ich dann aus, wenn's an der Zeit ist.

Sueddeutsche.de: Sie sind ausgebildeter Mediziner. Können Sie sich vorstellen, wieder als Arzt zu arbeiten?

Ringsgwandl: Da müsste ich ja Alzheimer im mittleren Frühstadium haben.

Sueddeutsche.de: Was ist so schlimm am deutschen Gesundheitssystem?

Ringsgwandl: Einer der Gründe, warum ich 1993 aus dem Krankenhaus ausgeschieden bin, war, dass der Stalin durch alle Ritzen reingekrochen ist.

Da waren Formulare, die erst DIN A6 Kartengröße hatten, plötzlich zwei DIN A 4 Seiten groß. Das war kein Platz mehr für den kleinen Georg. Und das Krankenhaus in Garmisch läuft wesentlich ruhiger, seit ich weg bin.

Sueddeutsche.de: Wie meinen Sie das?

Ringsgwandl: Einer weniger, der stört. Am besten ist es dort, wenn du den örtlichen Dialekt sprichst und auch so denkst. An so einem Haus kannst du ruhig Alkoholiker sein, das stört bei weitem nicht so, wie wenn du kritische Fragen stellst. Ich war dort nur ein Störfaktor.

Sueddeutsche.de: Und nun gehen Sie zu einem anderen Kardiologen?

Ringsgwandl: Den Zeitpunkt, zu dem man zum Kardiologen geht, kann man sich in der Regel nicht aussuchen. Das ist dann meistens ein Notfall.

Sueddeutsche.de: Und wenn Sie sich den Kardiologen aussuchen könnten?

Ringsgwandl: dann gehe ich zu einem Arzt, der neben der Beherrschung seines Handwerks auch noch etwas Literatur liest, der das Leben umfassender betrachtet. Ich fühl mich wohler bei einem Doktor, der weiß, dass Nabokov nicht den Herzkatheter erfunden hat.

Und wenn's kritisch wird, hoffe ich, dass er mich wie einen normalen Kassenpatienten behandelt. Ich häng zwar am Leben, aber nicht um jeden Preis. Es wäre schön, wenn der Eingriff hinhaut, aber wenn nicht, dann kratze ich ab, mit Anstand und Haltung.

Hompage von Georg Ringsgwandl

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