Apotheker-Demo:Geballte Wut in weißen Kitteln

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"Absicht ist, dass viele Apotheken verschwinden": Rund 10000 Apotheker und ihre Angestellten demonstrieren auf dem Odeonsplatz gegen die Gesundheitsreform.

Sibylle Steinkohl

Die Farben rot und weiß beherrschten am Vormittag den Odeonsplatz: Apothekenbesitzer und das vorwiegend weibliche Personal demonstrierten in ihren Kitteln, hochrot leuchtete das Apotheken-Logo auf den Plakaten. "Apotheken-Vernichtungsgesetz" war darauf zu lesen, "Mal schnell zur Apotheke - wie lange noch?" oder "Verarmte PTA sucht reichen Mann fürs Leben".

10 000 Apotheker und ihre Angestellten vorwiegend aus Bayern und Baden-Württemberg hatten sich versammelt, um ihrem Ärger über die jetzige Situation und die bevorstehende Gesundheitsreform Luft zu machen. Nach Angaben der Veranstalter, zu denen die Kammer, der Verband und die Gewerkschaft gehörte, waren es sogar ein paar Tausend Teilnehmer mehr.

"Es gibt immer noch das Vorurteil, dass alle Apotheker reich sind", sagt Helmut Stapf, der mit einem Megaphon am Rand der riesigen Schar von Demonstranten steht: "Doch das liegt Jahrzehnte zurück." Ein Gutteil der kleineren Apotheken, die nicht gerade günstig mitten in einer Fußgängerzone angesiedelt sind, kämpften heute bereits ums Überleben, erläutert der Geschäftsführer der Bayerischen Landesapothekerkammer.

"Sparkurs vernichtet Arbeitsplätze"

Aufgrund des derzeit gültigen Gesetzes blieben nur fixe 6,10 Euro pro verschreibungspflichtigem Medikament in der Apotheke hängen, egal ob das Mittel 15 Euro oder 5000 Euro kostet. "Das ist minimal", kritisiert Stapf, "Absicht ist, dass viele Apotheken verschwinden". Derzeit gibt es in Bayern 3400 Apotheken mit 15000 bis 18000 Mitarbeitern, in München rund 400 Geschäfte.

Fünf Läden seien in der letzten Zeit geschlossen worden, berichtet eine Apothekerin aus Regensburg. Ähnlich auch in Schweinfurt. Von dort ist Verena Söhnlein angereist. "Ich kämpfe für die Jugend", sagt sie, denn der Sparkurs, zu dem die Apotheker gezwungen würden, vernichte die Arbeitsplätze.

Von 30 Schweinfurter Schülerinnen, die zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin (PTA) ausgebildet wurden, hätten nur zwei eine Anstellung gefunden. Eine Sorge, die auch Lehrling Duygu Girgin aus München und Freundin zum Protestieren treibt. "Auf meine 30-Stunden-Stelle wurde keine Nachfolgerin mehr eingestellt", erzählt die Münchner Apothekerin Lydia Claußen, die gerade ihre Elternzeit nimmt: "Das kann sich meine Chefin nicht mehr leisten."

"Wir verlangen ein solides wirtschaftliches Fundament für unsere Apotheken", fordert ein Redner. Doch wegen weiter verschärfter und komplizierter Rabattregeln in der geplanten Gesundheitsreform befürchtet der Berufsstand nochmal eine Verschlechterung. Auch der wachsende Internethandel macht den Apotheken zu schaffen. "Die werden sich die Rosinen herauspicken", erwartet Frau Söhnlein.

Für die Patienten aber gingen kompetente Beratung und Arzneimittelsicherheit, wie sie die Apotheke gewähre, flöten. "Uns braucht man hier, wohnortnah, flächendeckend und rund um die Uhr", erklärt Kammerpräsident Ulrich Krötsch unter heftigem Beifall.

© SZ vom 9.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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