Anzeige gegen Arzt:Operation vor Zuschauern

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Ein Ärzteteam in einem Operationssaal: In München wurde darüber verhandelt, ob unberechtigt Personen bei einer OP dabei waren.  (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Als sie nackt auf die Narkose vorbereitet wurde, habe sie "junge Personen" im Operationssaal bemerkt: Eine Patientin zeigt ihren Frauenarzt an. Er soll Studenten erlaubt haben, bei ihrer Operation zuzusehen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Es dürfte kaum einen anderen Ort geben, an dem eine Frau so wenig fremden Blicken ausgesetzt sein möchte wie beim Frauenarzt auf dem gynäkologischen Stuhl. Genau das sei ihr aber in einer Münchner Privatklinik passiert, in der ein Uni-Professor als Belegarzt operiert, erklärt die 70-jährige Patientin Barbara H.

Als sie nackt mit gespreizten Beinen auf die Narkose vorbereitet worden sei, habe sie völlig unerwartet nahe dem Tischende "sieben bis zwölf ersichtlich junge Personen gesehen - alle in hellblauer Schutzkleidung". Ihr Anwalt, der Medizinrechtsexperte Wolfgang Putz, hält es für naheliegend, dass der Operateur als Uni-Ausbilder "ungefragt Studenten zur Demonstration des Eingriffs zugezogen hat". Ein Strafanzeige gegen den Professor hat die Staatsanwaltschaft nun aber wegen "geringer Schuld" eingestellt.

Trotzdem glauben Barbara H. und ihr Anwalt den Beteuerungen des Gynäkologen nicht. Der Professor habe auf Nachfrage zwar die Anwesenheit von Fremden bestritten, jedoch eine "geradezu groteske Anzahl von Beschäftigten für diesen Minimal-Eingriff mitgeteilt", sagt der Anwalt. Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen habe sich dann herausgestellt, dass wenigstens drei der angeblich anwesenden OP-Helferinnen nach eigenen Angaben nicht dabei gewesen sein wollen, meint Putz. Dafür tauchte nun eine chinesische Gast-Ärztin in den Akten auf.

Beim Anblick der Fremden habe sie auf dem OP-Tisch "Angst und Abscheu gefühlt", sagt die Münchnerin. Ihr sei bekannt, dass es in Unikliniken vorkomme, dass Studenten bewusstlose Frauen ohne deren Einwilligung gynäkologisch untersuchen: "Als Privatpatientin in einer Privatklinik habe ich das nicht erwartet." In ihrem Schrecken habe sie vor der Narkose nur noch gesagt: "Oh, heute ist Großaufgebot." Niemand habe geantwortet.

Der Professor erklärte später, bei der sogenannten Ausschabung seien neben ihm eine Assistenzärztin, zwei "Instrumentierer", zwei "Springer", die Narkoseärztin und deren Assistentin dabei gewesen. Anwalt Putz: "Der Operationsbericht weist statt dieser acht aber nur vier Personen aus." Anzeige sei erstattet worden, weil die Patientin sich zutiefst in ihrer Intimsphäre verletzt sehe: "Heimlich und unter Narkose ist ihr intimster Sexualbereich als Übungsobjekt zur Schau gestellt worden."

Studenten anzuhören "unverhältnismäßig"

Beim Staatsanwalt beteuerte der Professor, dass Schüler oder Medizinstudenten nicht zugegen gewesen seien, nur eine "gastärztliche" Doktorin aus China. Diese steht neben allen anderen von ihm genannten Personen auch in einem "internen" OP-Protokoll, das der Gynäkologe dem Staatsanwalt gab.

Nun alle infrage kommenden Studenten anzuhören oder gar Praxis, Klinik oder die Wohnung des Professors nach Dokumentationen über seine Studentenausbildung zu durchsuchen, erschien dem Strafverfolger "unverhältnismäßig." Der Professor sei aber deutlich darauf hingewiesen worden, dass eine etwaige Teilnahme von Studenten an einem Eingriff der Zustimmung der jeweiligen Patientin bedürfe.

© SZ vom 11.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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