Anti-Papst-Programm:"Der Papst ist wie eine Pop-Figur"

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Sigi Zimmerschied hat seit jeher ein inniges Verhältnis zur katholischen Kirche - ihm verdankt er seinen Erfolg.

Interview: Michael Ruhland

Sein erstes Programm sorgte gleich für einen Eklat. 1975 wurde Sigi Zimmerschied wegen Gotteslästerung angeklagt und ein halbes Jahr später freigesprochen. Seither hat der Passauer Kabarettist selten eine Gelegenheit ausgelassen, gegen Kirche und Klerus zu wettern. Derzeit gastiert der 52-Jährige mit seinem Programm "Spottlibet" im Fraunhofer-Theater. Am Montag ist er damit auch bei der Gegenveranstaltung "Papst gsehng" im Gasteig zu sehen.

Wunderbar heillose Welt: Der Kabarettist Sigi Zimmerschied ist erzkatholisch aufgewachsen und reibt sich seit Anbeginn an der Institution Kirche (Foto: Foto: SZ/Heigl)

SZ: Ihre Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche begann offenbar schon früh. Als Kind strangulierten Sie Krippenfiguren im elterlichen Wohnzimmer mit Lametta. Zimmerschied: Zum Entsetzen meiner ganzen Verwandtschaft habe ich als Vierjähriger die Kripperlfiguren am Christbaum aufgehängt. Was auf eine schon sehr frühere Auseinandersetzung mit den Glaubensstrukturen und Glaubensinhalten schließen lässt. Damit war auch schon der Weg vorgezeichnet, den ich bis jetzt gegangen bin: der eher spielerische Umgang mit Religion.

SZ: Trotzdem waren Sie Ministrant, Lektor und Pfarrjugendführer. Zimmerschied: Es war eine sehr ambivalente Geschichte. Wenn man in einer christ-katholischen Gesellschaft aufwächst, durchläuft man die ganze Sozialisation. Wer nicht völlig isoliert sein wollte, ist halt in die katholische Jugend gegangen. Natürlich ist man in dem Alter auch empfänglich für Rituale. Einige Zeit lang hat sich meine gestalterische und sinnliche Energie in den katholischen Ritualen gefunden. Die kritische Distanz ist erst später gekommen.

SZ: Es hat nicht lange gedauert, bis Sie richtig Ärger bekamen. Nach Aufführung Ihres ersten Programms "Himmelskonferenz" hagelte es Beleidigungsklagen wegen Gotteslästerung. Hat sich der Knall abgezeichnet? Zimmerschied: Der war programmiert. Die Institution Kirche hatte zum damaligen Zeitpunkt im Umgang mit Widerspruch und satirischem Aufbegehren noch überhaupt keine Übung. Dass der Knall so elementar ausfallen und für kurze Zeit eine ganze Stadt umkrempeln würde - inklusive uns selber - das war nicht zu erwarten. Bruno Jonas und mir wurde damals klar: Wenn Satire so eine Sprengkraft haben kann, dass sie eine Stadt bis zum Verfassungsbruch treibt und sie dazu bringt, sich bundesweit zu blamieren - dann war das der letzte Kick in den Beruf des Kabarettisten hinein.

SZ: Sie nennen den Papst "Chefarzt des Instituts für angewandte Schizophrenie". Schizophren, warum? Zimmerschied: Weil er versucht, ganz erdige Machtansprüche mit metaphysischen Zinnober abzusichern und zu begründen. Das ist angewandte Schizophrenie. Eventtauglich, aber schizophren.

SZ: Sie sind Teil der "Religionsfreien Zone" am Gasteig. Sind Sie Atheist? Zimmerschied: Da gibt es zu viele unerklärte Reste, um das so ausdrücklich behaupten zu können. Im Umkehrschluss kann ich nicht behaupten, dass ich gläubig wäre. Ich bin eher in der Skepsis daheim, die immer mal in die eine oder andere Richtung ausreißt. Wobei man immer dann, wenn man zu glauben oder zu hoffen anfängt, nicht weiß, ob das nur Wehleidigkeit ist. Oder Überheblichkeit, wenn man alles wieder vernichtet.

SZ: Darf Satire soweit gehen, dass sie religiöse Gefühle verletzt? Zimmerschied: Nachdem Satire schon per se signalisiert, dass sie das Ganze nur persifliert, kann sie alles machen. Sie kommt ja nicht mit Thesen daher, nicht affirmativ, sondern mit der Lust des Infragestellens.

SZ: Sie kommt bei Ihnen aber oft sehr derb daher. Zimmerschied: Die Wirklichkeit ist derb genug. Wieso sollte die Satire hinterher stehen?

SZ: Angenommen, Sie bekämen eine Audienz beim Papst. Was würden Sie ihn fragen? Zimmerschied: Ob er schon mal bei mir im Programm war . . .

SZ: . . . und, was denken Sie? Zimmerschied: (Lacht) Das glaube ich nicht. Ein persönliches Gespräch würde wohl nicht viel bringen. Da hätten alle anderen mehr davon als ich.

SZ: Joseph Ratzinger ist früher nicht gerade als Progressiver aufgefallen. Seit er Papst ist, wirkt er milder. Was versprechen Sie sich von der Ära Benedikt XVI.? Zimmerschied: Ich habe weder große Erwartungen noch Hoffnungen - auch nicht vom Besuch. Doch, eine Hoffnung habe ich: dass er nach drei Tagen wieder verschwindet.

SZ: Der Papstbesuch wird ähnlich vermarktet wie eine Weltmeisterschaft. Der Mensch, so scheint es, ist nicht mehr von der Kirche gegängelt. Eher passt sich die Kirche dem Zeitgeist an. Zimmerschied: Immer wenn die Einkommenserwartung gesunken ist, ist die Heilserwartung gestiegen. Die Sehnsucht nach metaphysischen Events ist groß. Der Papst ist wie eine Pop-Figur. In dem hilflosen Charme, den er verbreitet, erkennen sich die Leute wieder. Weil sie selbst so hilflos lächelnd vor der Wirklichkeit stehen - eine Symbiose, die man hochschaukeln kann. Das hat der Vatikan gut erkannt. Und jetzt muss der Papst halt touren.

SZ: Der Mensch ist schwach und braucht Führung? Zimmerschied: Genau in diese Erklärungsschwäche, teilweise Rückgratschwäche, da zünden all diese irrationalen Welterklärungsmuster. Der Katholizismus, der Islamismus - das stabilisiert.

SZ: Die Frage nach Halt beschäftigt jeden Menschen. Woraus ziehen die Akteure der "Papstfreien Zone" ihre Kraft? Zimmerschied: Möglicherweise ist es bei dieser Minderheit so, dass sie eine Lust an der Unheilbarkeit hat. Dass nicht alles aufgehen muss. Dieses Groteske, Unheilbare muss einen nicht unbedingt verstören oder im Schrei nach Gott enden, sondern in einer lustvollen Explosion nach innen. Motto: Wie wunderbar heillos und durcheinander ist diese Welt.

SZ: Sie haben sich nie davor gescheut, die Verflechtung der Kirche Passaus mit den Nazis anzuprangern. Hat Ihr Nachbohren etwas zum Positiven bewirkt? Zimmerschied: Bedingt. Bezüglich dieses Themas ja. Grundsätzlich geht man aber nur raffinierter um mit Angriffen. Man hat es zwar bei den Kabarettisten so weit gebracht, dass man sie sein lässt, ihnen einen Freiraum gibt. Aber kaum tauchen andere Minderheiten auf, die ähnlich verstören, setzt sich doch wieder der alte Reflex durch. Man muss sehr vorsichtig sein, was populistische Strategie ist, und was der wirkliche Kern ist. Und im Kern hat sich nicht so viel geändert.

SZ: Die Polizei will hart durchgreifen, wenn es um mögliche Beleidigungen des Staatsoberhauptes Benedikt XVI. geht. Haben Sie Angst vor neuen Prozessen? Zimmerschied: Nein. Der Papstbesuch ist eine kurze Hysterie, dann ist er wieder weg. Vielleicht wollen sie ihn aber auch da behalten. Könnte sein, dass der Beckstein die Gullis nur deshalb zuschweißen ließ, damit er nicht abhauen kann.

© SZ vom 07.09.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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