Also doch: Stadt will Sozialhilfe erhöhen:Münchner sollen mehr als 345 Euro bekommen

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München ist teuer und der Regelsatz für Bedürftige sehr niedrig - nun gibt es Pläne für eine deutliche Anhebung.

Sven Loerzer

Das rot-grüne Rathausbündnis will die Voraussetzungen dafür schaffen, die Höhe der Sozialhilfe von bisher 345 Euro den hohen Lebenshaltungskosten in München anzupassen. München wäre damit die erste Großstadt, die ein Gutachten zur Angemessenheit des Regelsatzes in Auftrag gibt.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) betonte, ein Gutachten könne den Druck auf den Bund verstärken, auch das Arbeitslosengeld II entsprechend anzupassen. Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker sprach von einem sozialpolitisch wegweisenden Signal: "Wir kommen weg von einer politisch verordneten Höhe und schauen uns den Bedarf vor Ort genau an."

Die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Brigitte Meier, sagte, dass sich die Stadt ihrer Verantwortung für die Sozialhilfe stelle. Die Rathaus-FDP verlangte unterdessen, ein Gutachten bis Ende des Jahres vorzulegen. "Wer in Not gerät, soll ausreichende Mittel erhalten", forderte Nadja Hirsch.

Wie die SZ berichtete, hat es die Stadt bei der Sozialhilfe in der Hand, mit einem wissenschaftlichen Gutachten nachzuweisen, dass "die tatsächlichen Lebenshaltungskosten und die örtliche Preisentwicklung sowie die örtliche Entwicklung der Nettoarbeitslöhne" eine Erhöhung rechtfertigen. So bestimmt es die bayerische Verordnung zur Ausführung sozialhilferechtlicher Vorschriften.

Von dieser Möglichkeit, für die sich letzte Woche der Landkreis München entschieden hat, hat bislang offenbar keine Kommune Gebrauch gemacht. Wer ein solches Gutachten erstellen könnte und wie es genau auszusehen hat, ist daher völlig unklar.

SPD und Grüne in München verständigten sich darauf, das Sozialreferat darstellen zu lassen, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, die Sozialhilfe für alte, kranke und behinderte Menschen über das Niveau von Arbeitslosengeld II hinaus zu erhöhen. Außerdem sollen die finanziellen Auswirkungen und die rechtlichen und wissenschaftlichen Anforderungen für ein Gutachten dargelegt werden.

"Wenn eine regionale Anpassung des Regelsatzes durch ein Gutachten möglich ist, wollen die beiden Fraktionen dies voran treiben", sind sich SPD-Fraktionschef Helmut Schmid und Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker einig. "Das würde auch helfen, unsere Forderung gegenüber dem Bund zu untermauern, das Arbeitslosengeld II zu erhöhen. Denn wir hätten gerne bei beiden Gruppen mehr", sagte Strobl. Die Ausgaben für die Sozialhilfe würden bei einer Erhöhung von 345 auf 410 Euro um rund zehn Millionen Euro im Jahr steigen.

Jürgen Salzhuber, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in München, machte deutlich, dass die Stadt gut beraten wäre, das erforderliche Gutachten umgehend erstellen zu lassen. "Wir waren die ersten, die gesagt haben, 345 Euro sind zum Leben in München zu wenig", bekräftigt Salzhuber.

Er verweist darauf, dass die Zahl der Anträge von Hilfebedürftigen auf Spendengelder "massiv gestiegen" sei. Aufgrund der hohen Preise sei die "Lebensführung mit 345 Euro sehr eng". Der Betrag "geht für den täglichen Lebensbedarf drauf".

Während nach altem Recht Kleidung oder ein neuer Kühlschrank extra bezahlt werden konnten, sollen die Sozialhilfebezieher von den 345 Euro für solche Ausgaben Geld ansparen: "Es ist doch eine Illusion zu glauben, es schafft einer, 200 Euro für einen Wintermantel zu sparen", sagt Salzhuber.

© SZ vom 26.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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