Allianz Arena:Lauschangriff auf ein WM-Stadion

Lesezeit: 2 min

Die Macher der Allianz Arena bezeichnen ihr 320-Millionen-Projekt gern als "Stadion der Sinne". sueddeutsche.de war bei der Eröffnung des FC Bayern München ganz Ohr und hat auch ein paar Hörproben mitgebracht, etwa: Sarah Connors verhaspelte Nationalhymne ...

Von Violetta Simon

Fährt man mit der U-Bahn Richtung Fröttmaning, klingt die Allianz Arena nach Oktoberfest. Sicherheitshinweise werden betont locker formuliert, hin und wieder versteigt sich ein Schaffner zu einem Witz und die U-Bahn heißt "Stadion-Express".

Mit viel Sahne: Sarah Connor singt die Nationalhymne. (Foto: Foto: Simon)

Kein Gegröle quillt aus den U-Bahnwaggons, die in Minuten-Abständen Menschen auf Bahnsteige und Rolltreppen entlässt. Auf dem Weg über die Esplanade Richtung Stadion ist nur das Rattern der Hubschrauber zu hören, die unermüdlich ihre Kreise über das Gelände ziehen.

Das abgehackte Geräusch der Rotorblätter versiegt vorübergehend, beim Betreten der Arena. Es kehrt zurück im Innernen, wenn sich über den Köpfen der Zuschauer das gigantische Viereck zum Himmel hin öffnet. Erst nach dem Anpfiff wird es im lärmenden Meer der Fankurven untertauchen.

Gesang in Lederhosen

Zuvor demonstriert Popstar Seal die Konzerttauglichkeit des Stadions und gibt zwei Songs auf dem Stadionrasen zum Besten. Die wohl größte Bühne seines Lebens durchmisst er hüpfend, klatschend und in Lederhosen gewandet - wer sich Heidi Klum zuliebe in ein Schnappi-Kostüm zwängt, hat mit sowas schon lange kein Problem mehr.

Aus der hinteren Reihe sind Kommentare zu hören: "Megatempel hier, wa?" - "Besser als Frankfurt in jedem Fall". Die Ankündigung von Ministerpräsident Stoibers Anwesenheit erzeugt ein Pfeifkonzert, das nur übertrumpft werden wird von den Pfiffen für National-Keeper Lehmann, wann immer er am Ball ist.

Es ist soweit. Sarah Connor singt die Nationalhymne - wundervoll und schaurig zugleich: Der Sahneschmelz ihrer Darbietung verhüllt nur mäßig den Versprecher "Brüh im Lichte dieses Glückes".

Die Arena erbebt. Wie eine Klangschale umschließt sie das Geschehen. Das Tröten und Hupen, die immergleichen Musikschleifen aus den Boxen, die Sprech-Chöre scheinen sich an den Wänden entlang nach oben zu schrauben und in vielfacher Lautstärke in den Himmel zu entladen.

Jubel lässt Trommelfelle vibrieren

Fan-Gesänge - sie zerschneiden den Raum, sind nicht mehr verschwommen, sondern deutlich zu verstehen. Als in der fünften Minute das erste Tor für die Bayern fällt, versinkt das Stadion in ohrenbetäubendem Jubelgeschrei. Trommelfelle vibrieren, die Luft sirrt.

Am Ende das Feuerwerk: Es knallt und zischt, um die Besucher auf den Plätzen zu halten - 33.000 Leute auf einmal sind zuviel für eine U-Bahnstation.

Noch immer ziehen die Hubschrauber ihre Kreise am mittlerweile nächtlichen Himmel. Erst beim Hinausgehen hört man, dass auch das Rattern ihrer Rotorblätter noch immer die Luft zerteilt.

"Liebe Leut, bitte steigt´s überall ein, der Stadionexpress hat vorn noch viel Platz". Kein Grölen wabert über den Heimkehrenden, als die U-Bahn einfährt und gut gelaunte Schaffner die Fahrgäste zum Zusteigen auffordern. Nur einer fragt, als sich die Türen schließen: "Seit wann sind die so freundlich?"

Die Arena bleibt zurück, still und in einen Mantel aus rotem Licht gehüllt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: