"Alles ist machbar":Die Meister der Nacht

Lesezeit: 4 min

In München boomt das Geschäft der Party-Veranstalter - vier Event-Manager und ihre recht unterschiedlichen Erfolgsgeheimnisse.

Anne Goebel

Das Weiße Haus, the white house. Max Braunmiller schnalzt leise mit der Zunge, nimmt einen Schluck Latte Macchiato und lässt sich die Worte auf der Zunge zergehen. Im Geist, wir wetten drauf, geht er schon mal die schrille Deko fürs Oval Office durch. Braunmiller ist Gründer der Partyveranstaltungsfirma "Select effect", und obwohl gar nicht zu erwarten ist, dass ihn demnächst der Protokollchef von George W. Bush auf dem Handy anruft - die Szene ist bezeichnend.

Herr Braunmiller, nur zum Spaß, was wäre die tollste Location der Welt für Sie, das Weiße Haus vielleicht? Dass Braunmiller drauf einsteigt, wenn auch nur für einen Augenblick, dass er sagt: "Boah, des wär's", sagt viel über das wichtigste Gesetz der Spaßbranche. Es heißt: Alles ist machbar. (Und wenn nicht, tu trotzdem erstmal so als ob.)

Partymacher zu sein in der Singlehauptstadt München ist ein hartes Geschäft. Wie umkämpft die potenziellen Ausgeher und ihre Geldvorräte sind, zeigt ein flüchtiger Blick in die Dezember-Ausgaben der Stadtmagazine: Blaues Fest für spaßwillige Partypeople auf der Praterinsel, Londons Underworld-DJ legt in der Maximilianstraße auf, zu Heiligabend gibt es Santa Go Gos in der Schranne, und an Silvester ist die ganze Stadt sowieso ein einziger "Big Bang". Und Braunmiller? Zieht am Macchiato-Strohhalm und sagt: "Du musst immer wieder was Neues machen. Die Hammer-Location finden."

Location ist sein Schlüsselwort: Ein guter Ort ist einer, an dem vorher nie gefeiert wurde. Erfolg hat der gelernte Restaurator seit Jahren mit der Reihe "Renaissance-Clubbing", die die ehrwürdige Residenz als Diskothek für einen Abend etablierte. Den Fürstenpalast für's Nachtvolk öffnen, das hat vor ihm keiner geschafft, "und darauf bin ich stolz. Das ist cool." Ein Kratzer im royalen Marmor, der ihn teuer zu stehen kam, ist vergessen, Hauptsache, die Münchner, Dachauer, Erdinger ("ich hab' viel Umland") kommen zum "Abfeiern in königlicher Atmosphäre".

Braunmillers Team organisiert Sambagruppen oder Stelzenmänner als Abwechslung zum üblichen Trinken und Tanzen, um die Abfeierer bei der Stange zu halten. Bauchlandungen wie die gefloppte Las Vegas-Party vor ein paar Jahren sind nämlich schlecht für die Kasse. "Die Leute haben sich per Handy kurzgeschlossen, brauchst nicht kommen, ist langweilig." Risikogeschäft Nachtleben in Zeiten des Mobilfunks.

Regen im Kieswerk

Bei Otger Holleschek ist die Mundpropaganda gerade das, was seine Events voranbringt. Der studierte Theaterwissenschaftler hat Anfang der Neunziger in der Szene frühen Ruhm erlangt mit einer Studienabschluss-Party im Kieswerk Aschheim, welche schon Tage vorher als Must gehandelt wurde, zu der das Jungvolk scharenweise strömte und die gekrönt wurde von einem Stroboskop-Gewitter im Sommerregen. "Tja. So wird man Partyveranstalter", sagt Holleschek. Dass dem 40-Jährigen beim Interview ein barocker Kostümfilm mit Depardieu als genialischem Zeremonienmeister des französischen Sonnenkönigs in den Sinn kommt, ist ziemlich sicher kein Zufall.

Holleschek legt Wert auf Stil, auf ästhetisch ausgefeilte Inszenierungen, und dazu gehört eine klitzekleine Portion Snobismus. Flyer unter die Leute bringen? Die Litfaßsäulen der Stadt zupflastern, sich marktschreierisch selbst anpreisen? Holleschek, der zum Espresso das Glas Wasser schätzt, schüttelt den Kopf. "Wir drucken keine Sponsoren auf bunte Zettel und haben keine Türsteher. Drin oder nicht drin heißt bei uns: Du weißt es oder du weißt es nicht." Teil der Holleschek-Gemeinde zu sein, heißt: Ort ("bloß nicht zu established") und Zeit kennen.

Was dann in einer zum Vergnügungstempel umdekorierten U-Bahnunterführung oder im tiefrot illuminierten Haus der Kunst gegen Eintritt geboten wird, ist nächtliches Ausstattungstheater: Tanzbare Musik, Lichtsäulen, allerlei Requisite, und als (Selbst-)Darsteller "normale Leute zwischen 25 und 35, die in eine andere Realität eintauchen und feiern wollen." Hundert hindrapierter Daunenbetten zur "Frühlingserwachen"-Party, Kabinengondeln beim "Skihüttenfest", an Holleschek ist wohl ein Bühnenbildner verloren gegangen.

Andererseits geht es doch eigentlich bloß darum, dass Leute zusammen trinken und tanzen und später vielleicht mal sagen, wir haben uns auf dieser Federbettenparty kennen gelernt. Und dafür der ganze Aufwand? Nicht nur, sagt Holleschek, dessen Agentur "H+S Veranstaltungen" ihr Geld weniger mit den erfolgreichen Parties macht, sondern mit dem Organisieren von Events für zahlungskräftige Firmen. Es geht auch darum, dass er vor 13 Jahren im Kieswerk Gefallen daran fand, den unsichtbaren Zampano eines großen Spektakels zu geben.

"Kinder, lasst uns doch wieder die Parameter zusammenbringen für eine spacige Party", habe er damals gesagt. Seither ist Herr Holleschek sozusagen auf Zeremonienmeisterdroge. "Wenn 800 Leute auf der Tanzfläche eins sind", sagt er, "wenn dir mit einem Latin-Break zum richtigen Zeitpunkt der emotionale Peak gelingt, wenn dann noch Kunstschnee rieselt, und du bist der Verursacher des Ganzen, dann kann das süchtig machen."

Weil München, abgesehen von der Partytauglichkeit, auch ein attraktives Pflaster für Firmenpräsentationen ist, ist die Szene der Eventmanager dicht und überhaupt nicht homogen. Philip Greffenius etwa würde eher nicht von spacigen Parametern reden. Der junge Chef der Agentur "Edition sportiva" trägt das wellige Haar zurückfrisiert und charakterisiert Firma und Klientel als "eher konservativ angehaucht". Seine Großveranstaltungen "Nacht der Generationen" und "Nacht der Tracht" - "Ich habe einige Formate ins Leben gerufen", formuliert der 32-Jährige etwas förmlich - frequentieren Junganwälte mit vielversprechenden Karriereaussichten oder künftige Vorstandsassistenten.

Partymacher, so würde sich Greffenius vielleicht gar nicht nennen. Er sieht sich auf dem "aggressiven Markt der Eventanbieter" als Allround-Dienstleister, der für Automobilkonzerne Tagungen managt, Unternehmensberatern Festredner organisiert oder eben zum kollektiven Almfeeling in Trachtenkluft bittet. Der gemeinsame Nenner: "Ich inszeniere Produkte."

Filme unter freiem Himmel

Das Wettrennen um die tollste Location, den besten DJ, den buntesten Bühnenzauber: Alex Wolfrum - Name der Agentur: "Gral, Gründliche Realisierung allgemeiner Lebensfreude" - gibt da gerne den Gelassenen. Seit er als Student die Idee hatte, in der Münchner City unter freiem Himmel Filme zu zeigen, was viele für eine Phantasterei hielten, bis er mit dem Königsplatz-Open Air tatsächlich reüssierte, gilt Wolfrum als eine Art genialischer Kreativling der Branche. Das gefällt ihm ganz gut. Er realisiert unter anderem den reibungslosen Ablauf der alljährlichen "Nacht der Medien", und die Veranstaltung in den Justizpalast zu verlegen, war sein Einfall.

Mit Knopf im Ohr und Walkie Talkie tigert er kurz vor Beginn über den gewienerten Marmor, prüft die Farbqualität der mit Sponsorenlogos dicht bedruckten Servietten, kontrolliert Fluchtwege und Hydranten. Sein Hauptjob, sagt er, sei "Bedenken entkräften". Das Kreisverwaltungsreferat überzeugen, dass man in einem Straßentunnel bedenkenlos feiern lassen kann. Dem Auftraggeber klar machen, dass eine Auflockerung des immergleichen bayerischen Buffets keinen Imageschaden anrichten wird.

Auf der Gral-Website fasst Wolfrum seine Arbeit in die etwas pathetischen Worte: "We had a dream". Und als er, eine halbe Stunde vorm Start der "Nacht der Medien", auf dem Dach des Justizpalasts steht, wirkt er auch irgendwie ergriffen, womöglich ein wenig von sich selbst. Unten liegt München und glitzert - hier kommt normalerweise keiner hin, außer man hat einen Knopf im Ohr und ist der Organisator des Abends. Genau das ist es, ruft Wolfrum ins Abendrot. "Dieser Job, das ist immer, immer was Neues! Das ist Sendung mit der Maus!"

Wahrscheinlich ist es das tatsächlich. Die Jungs wollen einfach nicht erwachsen werden.

© SZ vom 20. Dezember 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: