Ärger beim Ausbau des Airports:Lärmauflagen kosten Flughafen Millionen

Lesezeit: 2 min

Erhebliche Zusatzbelastungen: Geschäftsführer Vill kritisiert die Grenzwerte als überzogen - die Bürgerinitiative hält sie für kontraproduktiv.

Dominik Hutter

Das neue Fluglärmgesetz verursacht am Flughafen Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe. Genaue Berechnungen lägen noch nicht vor, betont Geschäftsführer Walter Vill, man rechne aber mit erheblichen Zusatzbelastungen für Schallschutz und Entschädigungen.

Es gibt Ärger beim Ausbau des Flughafens: Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe werden erwartet. (Foto: Foto: dpa)

Die Bewohner des Umlands erwarten sich trotzdem keine Verbesserungen. Die neuen Grenzwerte seien teilweise sogar ein Rückschritt.

Die im Dezember vom Bundestag beschlossene Novelle löst das heillos veraltete Vorgängergesetz von 1971 ab, das wegen seiner großzügigen Grenzwerte schon seit Jahren faktisch zu den Karteileichen zählt. Statt bislang 75 Dezibel Dauerschall tagsüber - ein Wert, bei dem zwischen längst abgesiedelt wird - berechtigen künftig schon 60 bis 65 Dezibel zum Einbau von Schallschutzfenstern und Belüftungen auf Kosten des Flughafens.

Das erhöht natürlich die Kosten für die Airport-Betreiber - eine niedrigere Toleranzschwelle vergrößert die Schutzzone und erweitert so den Kreis der Schallschutz-Berechtigten. Dazu gibt es erstmals gesonderte Nachtschutz-Zonen sowie verbesserte Entschädigungskonditionen für verlärmte Gärten und Terrassen.

15 bis 20 Millionen zusätzlich

Die Kosten für den Münchner Flughafen entstehen Vill zufolge vor allem bei dieser so genannten Außenbereichsentschädigung und eben bei den Nachtregelungen. 15 bis 20 Millionen Euro zusätzlich gegenüber dem Status Quo, lautet eine erste vorsichtige Schätzung, die laut Vill aber nicht belastbar ist, weil die Höhe der Entschädigung und die genaue Ausgestaltung des Schallschutzes noch ausstehen.

Durch die verschärften Tages-Grenzwerte seien dagegen keine gravierenden Veränderungen zu erwarten, da sich die Anwohner in der Vergangenheit vor Gericht entsprechende Standards gesichert hätten. Die durch das Gesetz ausgelösten Mehrkosten bei der dritten Start- und Landebahn sind in den Zahlen bereits berücksichtigt.

Die umstrittene Zusatzpiste im Norden des Flughafenareals spielt bei der Lärmschutzfrage eine ganz entscheidende Rolle: Sie zerstört den Status von ,,MUC'' als Bestandsflughafen, für den weniger ehrgeizige Grenzwerte gültig wären. Durch die nun geplante ,,wesentliche bauliche Erweiterung'' muss der Airport komplett, also nicht nur rund um die dritte Bahn, verschärfte Anforderungen erfüllen: tagsüber 60 statt 65Dezibel, nachts 50 statt 55 (ab dem Jahr 2011).

Vill, der auch Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) ist, hält diese Werte für überhöht. ,,Das geht über die anerkannte Lärmwirkungsforschung hinaus.'' Positiv sei aber, dass es nun wieder verbindliche Rechtsnormen beim Fluglärm gibt.

Da das alte Gesetz nicht mehr angewandt wurde, mussten über Jahre hinweg die Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Gericht ausgefochten werden. Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Insgesamt handle es sich um einen ,,vertretbaren Kompromiss''.

"Eine einzige Katastrophe"

Die Freude bei den vermeintlich Begünstigten, den Bewohnern des Umlands, hält sich allerdings in Grenzen. Jürgen Steiner von der Bürgerinitiative Fluglärm Hallbergmoos sieht die Novelle als ,,eine einzige Katastrophe.'' Er erwartet, anders als Vill, sogar erhebliche Verschlechterungen im Vergleich zu dem, was in teuren und langwierigen Prozessen vor Gericht erstritten wurde.

,,Derzeit gelten in der Praxis niedrigere Limits.'' Der Teufel stecke vor allem im Detail, etwa bei den komplizierten Berechnungsverfahren für Fluglärm, die nun nachteilig verändert worden seien.

Verärgert ist Steiner, dessen Initiative im überörtlichen ,,Aktionsbündnis aufgeMUCkt'' engagiert ist, auch über die prinzipielle Ausrichtung des Gesetzes. ,,Hier werden nicht die Bürger vor dem Flughafen, sondern es wird eher der Flughafen vor den Anwohnern geschützt.''

Statt um Lärmvermeidung in Wohngebieten gehe es allein um Entschädigung und passiven Schallschutz. Steiner wäre es lieber gewesen, wenn Berlin dem Flughafen Grenzen beim weiteren Ausbau auferlegt hätte. Tatsächlich aber wurde in die Planungshoheit der Gemeinden eingegriffen, um die Bebauung in unmittelbarer Flughafennähe zu beschränken.

Den planungsrechtlichen Teil des Gesetzes kritisiert auch Vill - allerdings in entgegengesetzter Richtung. ,,Die Siedlungssteuerung in Flughafennähe hätte man etwas stringenter handhaben können.'' Es sei sinnvoll, durch eine konsequente Begrenzung der umliegenden Bebauung die Lärmschutzproblematik gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Vill ist sich übrigens sicher, dass sich die Jahrzehnte währende Tendenz zu immer leiseren Maschinen noch lange nicht erschöpft hat. Die Hersteller von Flugzeug-Triebwerken sähen weiter ein ,,erhebliches Potential'' in der technischen Fortentwicklung.

© SZ vom 17.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: