Abitur in Türkisch:"Das darf man nicht unterdrücken"

Lesezeit: 3 min

Eine Schülerin schreibt das erste Abitur mit dem Fach Türkisch in Bayern - und das in Pasing. "Kutlu olsun, on iki puan": Herzlichen Glückwunsch, 12 Punkte!

Christa Eder

Türkischunterricht an bayerischen Gymnasien ist eine Seltenheit. In München gibt es eine einzige Schule, an der Türkisch als Wahlfach angeboten wird: Das Elsa-Brändström-Gymnasium in Pasing. In der vergangenen Woche hat dort eine Schülerin das erste Abitur mit dem Fach Türkisch in Bayern abgelegt.

Hat dafür gekämpft, dass sie Türkisch wählen durfte: Buket Babacan, 20. (Foto: Foto: ahed)

"Ich wollte in erster Linie meine Muttersprache verbessern und etwas mehr über mein Land erfahren", sagt Buket Babacan, 20. "Und weil es von der Kombination her ging, konnte ich das Fach fürs Colloquium wählen."

Verlangt wurde ein Referat über die Probleme von Jugendlichen an deutschen Schulen, die Interpretation einer Karikatur sowie eine Erläuterung über unterschiedliche Erzählformen in der türkischen Literatur. "Das war schon anspruchsvoll, aber machbar", sagt Buket, die mit ihrer Note, 12 Punkte, ganz zufrieden ist.

Wie viele jugendliche Türken spricht auch Buket mit ihren Eltern türkisch, mit ihren Geschwistern und Freunden "halb-halb". Und das sei das Dilemma, sagt Susanna Happ, ehemalige Direktorin am Elsa-Brandström-Gymnasium und Initiatorin des Wahlfach-Angebots.

"Die Schüler kennen den Hintergrund ihrer Sprache nicht. Sie können weder richtig Deutsch noch richtig Türkisch. Doch es ist wichtig, über das eigene Land und seine Kultur Bescheid zu wissen - auch fürs Selbstbewusstsein. Das geht nur über die Muttersprache, und das darf man nicht unterdrücken", mahnt Happ.

"In der Türkei gibt es auch Literatur?"

Vielen jungen Türken, die hier aufwachsen, erscheint ihre Heimat wie ein anderer Planet. Als 2004 der ersten Wahlkurs am "Elsa" startete, habe sie eine junge Türkin ganz baff gefragt, "Was? In der Türkei gibt es auch Literatur?", erinnert sich Happ. "In dieser Hinsicht kriegen sie von zu Hause nichts mit."

Freilich bringt das Wahlfach im Abitur einen kleinen Heimvorteil, wie ihn auch die spanischen und italienischen Abiturienten haben. Zudem können die Absolventen in der Türkei studieren, ohne eine weitere Prüfung ablegen zu müssen. "Das sprachliche Level reicht aus", sagt Happ.

Allerdings muss jeder, der Türkisch später als Abiturfach wählt, in der Schule eine Feststellungsprüfung ablegen. Derzeit nehmen 24 Gymnasiasten aus allen Teilen Münchens an einem Wahl- und Grundkurs in Türkisch teil. Im kommenden Schuljahr soll ein weiterer am Werner-von-Siemens-Gymnasium eingerichtet werden.

Und auch für die Abiturprüfung im nächsten Jahr haben sich schon zwei neue Kandidatinnen angemeldet. Weil das Elsa-Brändström-Gymnasium für die meisten Teilnehmer zu weit entfernt ist, gibt es eine "Zweigstelle" am zentraler gelegenen Klenze-Gymnasium. Dort findet auch der Grundkurs zur Vorbereitung des Abiturs statt.

In München leben etwa 52000 Türken. Sie sind die stärkste Ausländergruppe, eine eigene Schule haben sie aber nicht. Selbst ihre Sprache wird an kaum einer Schulen gelehrt. Zwar gibt es an den Grundschulen vereinzelt muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, doch der soll vom Schuljahr 2008/2009 an ganz abgeschafft werden und nur noch außerschulisch stattfinden. "Ich finde das sehr bedauerlich", sagt Happ. "Da wird den Kindern die Möglichkeit genommen, eine Verbindung zu ihrer Identität und zu ihren Traditionen aufzubauen."

Aus eigenem Budget

An den Gymnasien ist Türkisch als Wahl- und Grundkurs schon seit 1999 in den Lehrplänen festgeschrieben, nur: Es wurde nirgendwo ein solcher Kurs angeboten. Erst als Buket Babacan an ihrer Schule nachfragte, kam der Stein ins Rollen. "Letztlich kam alles auf ihre Initiative hin zustande", sagt auch Ex-Direktorin Happ.

Bis zur ersten Unterrichtsstunde mussten allerdings noch bürokratische Hürden genommen werden. Das Kultusministerium bewilligte zunächst keine zusätzliche Stunde, weil der Antrag über ein staatliches Gymnasium gestellt werden musste, was dann auch vom Klenze-Gymnasium übernommen wurde.

Zum Glück war der Schulleiter des Elsa - als einziger in München - bereit, eine Stunde aus seinem eigenen Budget zur Verfügung zu stellen. Viel Unterstützung kam auch von der Bildungs- und Erziehungsplattform, eine Interessensgemeinschaft türkischer Eltern, Schüler und Lehrer.

Yasemin Hücel leitet den Türkischkurs. Eigentlich ist sie Vollzeitlehrerin am Luisengymnasium und unterrichtet dort Deutsch und Geschichte. Als Susanna Happ anrief, musste man sie nicht lange überreden. "Ich habe selbst immer wieder versucht, einen Türkischkurs einzurichten, aber es hat nicht geklappt", sagt Hücel.

Für ihre Klasse, zwölf Mädchen und ein Junge, ist sie Lehrerin und Vertrauensperson. "Die Schülerinnen haben zu ihr einen ganz anderen Zugang als zu einer deutschen Lehrkraft", sagt Happ.

Noch hat sich kein deutscher Schüler für den Kurs angemeldet, doch das könnte sich bald ändern, meint Hücel: "Die Bedeutung der Türkei als Handelspartner für Deutschland wächst. Türkisch wird dann auch für deutsche Schüler interessant." Zudem sei Türkisch eine "sehr schöne, logische Sprache", bekräftigt Happ.

Hücels Schüler scheinen jedenfalls gern in den Unterricht zu kommen: Auf die Tafel haben sie vor Unterrichtsbeginn "Turkce'yi seviyoruz" geschrieben, das heißt: "Wir lieben das Türkische." Und das trifft auch auf Buket zu. Auf die Frage, was sie denn studieren will, sagt sie: "Auf jeden Fall etwas, was mit meiner Heimat zu tun hat."

© SZ vom 22.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: