Es hat minus zwei Grad, die Kieswege sind vereist, ein paar Schneeflocken fallen. Kahle Äste der Eschen und Buchen ranken in den Himmel. Scheungraber hat sich das Wissen über den Alten Südfriedhof aus Büchern vom Flohmarkt gesogen, manchmal telefoniert er mit den Nachkommen Verstorbener, wenn ihn eine Biografie besonders interessiert.
In einem bescheidenen Grab, das Ähnlichkeit mit einem kleinen Turm hat, liegt Georg von Hauberrisser. Er hat die Münchner Paulskirche und das Neue Rathaus am Marienplatz erbaut. Auf dem Südfriedhof wurden aber nicht nur Persönlichkeiten begraben. 80 Jahre lang war die Ruhestätte der einzige Friedhof für die Münchner - vom Trambahnfahrer bis zum Apotheker.
Ganz in der Nähe ist das Grab von Philipp Franz von Siebold. Der bayerische Arzt und Ethnologe lebte im 19. Jahrhundert lange in Japan und wurde dort hoch verehrt, denn er hatte einem japanischen Fürsten das Augenlicht gerettet. Als Dank durfte Siebold als einzige "Langnase" überhaupt in Japan als Arzt arbeiten.
Ort zum Plaudern
So manches Grab auf dem Alten Südfriedhof ist mit schwarzem Granit oder weißem Marmor geschmückt. Zum Beispiel das von Friedrich Gärtner, der den neueren Südteil des Friedhofs erbaut hat. "1000 bis 1500 Gulden haben solche Gräber gekostet. Dafür hätte man sich damals auch ein Haus hinstellen können", sagt Scheungraber.
Wie wichtig der Friedhof für manche Münchner noch heute ist, zeigt ein Beispiel: Im Frühjahr 2004 kam eine ältere Frau auf Scheungraber zu. Die Begräbnisstätte sollte gerade für eineinhalb Jahre geschlossen werden, da einige Denkmäler nicht mehr standfest waren. "Wo sollen wir uns denn jetzt zum Ratschen treffen?", soll sie ihn empört gefragt haben. Die Geschichte des Alten Südfriedhofs ist mit dem letzten Begräbnis im vergangenen Jahrhundert nicht zu Ende geschrieben.