Sachsen:Der skandalerprobte Minister

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Roland Wöller verdankt sein politisches Comback Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Und der verdankt dem Innenminister eine Reihe Krisen. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Innenminister Roland Wöller hat bereits mehrere politische Krisen unbeschadet überstanden. Jetzt muss er sich wieder unangenehme Fragen stellen lassen: in Zusammenhang mit der "Querdenken"-Kundgebung in Leipzig.

Von Antonie Rietzschel

Nach der "Querdenken"-Kundgebung am Wochenende in Leipzig sind viele Fragen offen, etwa zu dem scheinbar aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz am Abend. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hat jedoch kein Interesse, diese zu beantworten, als er am Sonntag kurzfristig Journalisten per Video zugeschaltet wird. Die Zeit reicht nur für ein kurzes Statement. Kritik an der Polizei kontert er als "völlig abwegig und unsachlich", die Demonstration nennt er "überwiegend friedlich" - und die Übergriffe auf Polizisten und Journalisten, die Anwesenheit von rechtsextremen Hooligans spricht er nicht an.

Wöller dürfte auch diese politische Krise unbeschadet überstehen, den Rücktrittsforderungen zum Trotz. Und ohne am Ende die Verantwortung übernehmen zu müssen. Das ist ein Talent, das der Innenminister in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt hat.

Roland Wöller ist in Duisburg geboren, sein Abitur machte er in Heilbronn, das Studium als Betriebs- und Volkswirt absolvierte er in Berlin und Dresden. Sein ehemaliger Doktorvater hielt ihn für "glänzend". Doch das war bevor Plagiatsvorwürfe gegen Wöller wegen seiner Dissertation laut wurden. Eine unabhängige Kommission der TU Dresden erteilte ihm nach der Überprüfung lediglich eine Rüge, seinen Doktortitel durfte er behalten. Das war 2011. Wöller, der seit seinem 18. Lebensjahr Mitglied in der CDU ist, hatte da schon politisch Karriere gemacht. Zunächst als Umwelt-, später dann als Kultusminister in einer schwarz-gelben Koalition. 2012 trat Wöller im Streit um den Abbau von Lehrerstellen zurück. Sein langjähriger politischer Weggefährte Ministerpräsident Michael Kretschmer holte ihn fünf Jahre später als Innenminister zurück ins Kabinett.

Seither steht der Namen des Ministers im Zusammenhang mit politischen Fehleinschätzungen und Skandalen. Nachdem es im August 2018 in Chemnitz zu rechtsextremen Ausschreitungen gekommen war, versprach Wöller mit Blick auf eine weitere bevorstehende Großdemonstration in der Stadt konsequentes Vorgehen und viel Polizei. Doch dann standen 5000 Menschen, darunter Neonazis und gewaltbereite Hooligans, 600 Beamten gegenüber. In der Stadt herrschte Chaos.

Von dem dominanten Auftreten rechtsextremer Kräfte war Wöller offensichtlich überrascht. Als hätte es die Ausschreitungen 2015 in Heidenau nicht gegeben, bei denen Neonazis vor einer Asylunterkunft randalierten und Sachsen wieder mal als braunes Nest in die Schlagzeilen geriet. Zu Wöllers Aufgabenbeschreibung gehört es eigentlich, gegen dieses Image anzugehen. Den Kampf gegen Rechtsextremismus hatte Kretschmer schließlich zur Chefsache erklärt. Doch Wöller folgte der Strategie seiner Vorgänger und zeigte sich ahnungslos über das Mobilisierungspotenzial in Sachsen. Kritik begegnete er trotzig. Ein kommunikatives Muster, das sich seitdem wiederholt.

Im Sommer dieses Jahres geriet der Innenminister wegen "Fahrradgate" bundesweit in die Schlagzeilen. Eine Leipziger Polizistin soll von Ermittlern beschlagnahmte Fahrräder an Kollegen verkauft haben. Wöller wusste offenbar seit Monaten davon. Der Bitte des Leipziger Polizeipräsidenten, die Öffentlichkeit zu informieren, kam er nicht nach. Bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte der Innenminister, er habe die Ermittlungen nicht gefährden wollen. Zu den Details schwieg er.

Seine politischen Gegner, die auch in der schwarz-rot-grünen Koalition zu finden sind, spekulierten auf den Rücktritt Wöllers. Doch die CDU hielt zu ihm. "Der Innenminister hat mein Vertrauen", sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer. Daran hat sich auch nach dem vergangenen Wochenende nichts geändert. Als Wöller sich am Sonntag vor der Presse äußerte, saß der Ministerpräsident an seiner Seite.

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