China:Voreilig

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Die EU lässt sich auf ein Investitionsabkommen mit China ein. Dabei geben die notorischen Regelbrüche des Landes wenig Grund zum Optimismus.

Von Lea Deuber

Peking dürfte es selbst kaum glauben. Sieben Jahre hat Chinas Regierung die EU in den Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zum Narren gehalten. Derweil hat sie alle Regeln ignoriert, europäische Firmen gegängelt und jegliche Zugeständnisse verweigert. Gleichwohl ist die EU nun bereit, das nach Pekings Kurswende eilig zum Abschluss gebrachte Investitionsabkommen zu unterzeichnen. Dass sich Brüssel auf dieses Manöver einlässt, ist ein Fehler.

Grundsätzlich soll das Abkommen europäischen Firmen mehr Marktzugang und fairere Bedingungen in China sichern. Das ist nicht nur notwendig, sondern auch überfällig. Vieles wird aber davon abhängen, wie konkret die chinesischen Zusagen sind - und wie sie kontrolliert werden. Da die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ablaufen, so wie es Peking gefällt, ist dazu wenig bekannt. Die Kommission sagt zwar, Substanz sei ihr bei den Verhandlungen wichtiger gewesen als Schnelligkeit. Dabei stimmt genau das nicht. Die EU hat sich von Peking drängen lassen, damit das Abkommen noch vor einem Amtsantritt von US-Präsident Biden unterzeichnet werden kann.

Chinas notorische Regelbrüche geben wenig Grund für Optimismus. Die letzten Streitpunkte in den Verhandlungen wirkten zugleich kurios: So hakte es bei Chinas Bereitschaft, unabhängige Gewerkschaften zuzulassen und Zwangsarbeit zu verbieten. Selbst in Verhandlungskreisen dürfte kaum jemand glauben, dass Pekings Zugeständnisse auch nur einen geringen Einfluss auf seinen Umgang mit Interessenvertretern im eigenen Land haben. Oder eine Antwort sein könnten auf die Menschenrechtsverstöße in Xinjiang. Dass die EU dieses Theater genau in diesen Wochen mitspielt, in denen erneut Hinweise über das Ausmaß der Zwangsarbeit in der Region bekannt geworden sind, ist beschämend.

In Brüssel scheint man sich seiner Sache sicher. Pekings Sorge vor einer transatlantisch koordinierten China-Politik ist groß. Diese Verunsicherung wollte man in Brüssel anscheinend nutzen. Damit droht die EU genau das zu wiederholen, was sie dem amerikanischen Präsident Donald Trump selbst vorgeworfen hat: Übereilte Handelsdeals, undurchdachte Abkommen und Alleingänge, die mehr politisches Schauspiel sind als die dringend notwendige, langfristige Strategie für einen Umgang mit China.

China braucht den Zugang zum europäischen Markt für Investitionen und um Zugriff auf europäische Technologie zu behalten

Denn klar ist: Es ist nicht mehr das Jahr 2013, als die Verhandlungen zum Investitionsabkommen aufgenommen wurden. Damals war Xi gerade an die Macht gekommen, galt als Reformer. Heute trampelt das Land unter seiner Führung auf anderen Staaten herum, hält im Streit um den Telekommunikationsanbieter Huawei zwei Kanadier seit mehr als zwei Jahren als politische Geiseln gefangen. Und Australien überzieht es mit Sanktionen, weil das Land eine unabhängige Untersuchung des Coronavirus-Ausbruchs in China forderte. Dringend notwendige Wirtschaftsreformen sind indes ausgeblieben. Peking verfolgt eine klare nationale Industriepolitik, die heimische Firmen bevorzugt.

Mit dem Abschluss des Abkommens verspielt die EU dementsprechend auch wichtiges politisches Kapital. Denn möglich wären zwei Szenarien: China garantiert weitestgehend gleiche Regeln für beide Seiten oder die EU sorgt dafür, dass für chinesische Unternehmen in Europa ähnlich schwierige Bedingungen herrschen wie für europäische Konzerne in China. Genau das ist es, wovor Peking Angst hat. China braucht den Zugang zum europäischen Markt für Investitionen und um Zugriff auf europäische Technologie zu behalten.

Mit dem neuen Investitionsabkommen hat die EU weder ihre Unabhängigkeit gegenüber den USA bewiesen noch ihre Stärke. Sie hat die europäische China-Politik nicht neu geordnet, sondern geschwächt. Peking dürfte das mit Genugtuung sehen.

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