Zweite Serien-Eigenproduktion:Die alten Wilden

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Sie sind wieder da - und behaart wie eh und je: ein Berliner Neandertaler. (Foto: RTL II)

RTL 2 erweckt die "Neandertaler" zu neuem Leben. Doch in der vierteiligen Miniserie ist alles ein bisschen over the top: die Charaktere, die Story, die Dialoge.

Von Jakob Wihgrab

In einem alten sowjetischen Bunker, irgendwo an der polnischen Grenze, wird ein Neandertaler-Baby geboren. Ehe man das verarbeiten kann, rauscht der Vorspann los. Sicher, von einer Serie, die Neandertaler heißt, erwartet man auch, dass welche darin vorkommen. Trotzdem ist es gewöhnungsbedürftig. Popkulturell unverbraucht, keine Frage. Und schließlich erfreut man sich ja auch an Dinosauriern, (Nazi-)Zombies, Drachen oder fliegenden Haien - doch irgendwas stimmt hier nicht.

Vorspann vorbei. Rechtsmedizinerin Lena Taubner (Natalia Belitski) trifft am Tatort ein. Ihre Bikerjacke, die Lederstiefel, der lässige Dutt - ganz schön tough. Oberkommissar Gert Balthaus (Ulrich Gebauer) begrüßt sie, mies gelaunt, rauchend. "Ihr erster Fall?" - "Nein, mein zweiter."

- "Na, dann gehen Sie mal rein!" Ein Blutbad. Eine Familie wurde regelrecht hingerichtet. Ein Polizist übergibt sich auf der Veranda. In der Garage: urzeitliche Schriftsymbole. Und der Zuschauer weiß: Das müssen die Neandertaler gewesen sein! Die Ermittler wissen das natürlich nicht und so werden die ansässigen Sinti und Roma verdächtigt, die rassistischen Stammtischparolen im Grenzdorf tun ihr Übriges. Nur Steinzeitforscher Adam Novak (Bernd-Christian Althoff) ist sich sicher: Jemand hat Neandertaler geklont.

Man müsste das eigentlich gut finden: Ein deutscher Privatsender nimmt gut zwei Millionen Euro in die Hand, produziert mit dem international erfahrenen Nikolaus Krämer ( Dresden) und Ivo-Alexander Beck ( Mein Sohn Helen) vier Folgen seiner zweiten Fiction-Serie überhaupt, anstatt im Ausland Formate einzukaufen, und setzt auf ein unverbrauchtes Setting. Doch der Funke will nicht überspringen. Neandertaler (Buch: Krämer und Matthias Dinter; Regie: Peter Gersina) orientiert sich am US-Popcorn-Kino. Und ja, der Pilot bietet auch hübsche, weite Landschaftsbilder - Kamerafahrten und Einstellungen, die so gar nicht deutsch aussehen. Doch merkt man schnell, dass ein vergleichbares Projekt in den USA zwei Millionen kostet - pro Folge, nicht pro Staffel.

Dazu kommt, dass sich Neandertaler nicht als Trash versteht, sondern bierernst nimmt. Dabei ist es nicht hilfreich, dass bis auf die Handvoll Hauptdarsteller, alle weiteren nachsynchronisiert sind. So klingt jeder unbedeutende Dorfbewohner wie Bruce Willis. Das wirkt aufgesetzt und albern. Auch die Dialoge eifern einer Filmsprache nach, die auf Deutsch nicht funktionieren kann. Alles ist ein bisschen over the top: die Charaktere, die Story, die Dialoge. Und trotzdem will man den Versuch nicht richtig schlecht finden. Die Sender nicht bestärken, wieder einzukaufen, statt auf eigene Projekte zu setzen. Nur so kann die Industrie in Deutschland wachsen und damit die Qualität.

Neandertaler, RTL 2, Dienstag und Mittwoch, jeweils ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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