Andere Schreiber besitzen einen Ton, er hatte Sound. Der konnte mitunter schön plärren und dann wieder ganz leise werden, er war oft überraschend zart und nie selbstgefällig getragen; hin und wieder quietschte was in den hohen Frequenzen, und der Beat rumpelte durch die Zeilen, aber das alles hatte immer ungeheure Lässigkeit, Eleganz, etwas Beiläufiges, Witz - einen Soul und einen Groove, den man selten findet in deutschen Texten, seien es journalistische, seien es literarische.
Bei Marc Fischer verschwammen die Grenzen, und die Worte tanzten auf dem Papier. Solche Leichtigkeit hinzubekommen, muss unendlich viel Arbeit gewesen sein. Es war nicht bloß Talent, und dahintersteckte, auch wenn es manchmal so gewirkt haben mag: keine Pose.
Fischers Talent ist früh erkannt worden, er war blutjung, als er beim Magazin Tempo in den neunziger Jahren mithalf, ein anderes Schreiben zu probieren, als es bis dahin üblich gewesen war im deutschen Journalismus, ein subjektiveres, rasenderes, manchmal auch phantastischeres.
Der Versuch scheiterte irgendwann am Geld und an manchem mehr, doch der deutsche Journalismus hat sich von dem heilsamen Tempo-Schock nie wieder erholt. Weil er nun endlich Leute wie Marc Fischer besaß, der schneller dachte und redete als die anderen, komischer eh. Und der sich als Journalist kaum jemals festlegte.
Er reiste für wechselnde Auftraggeber durch die weite Welt, den Spiegel etwa, fürs jetzt- und SZ-Magazin und für die deutsche Vanity Fair (solange es sie gab); wie zwischendurch schrieb er noch zwei kleine große Romane, und auch in denen war die Welt ganz weit.
Als Reporter fuhr Fischer eher nicht dahin, wo die Kriege und Krisen waren; wo die Geschichten nur so auf einen warten, die schrecklichen, denen man nur noch die richtige textliche Form geben muss, bei aller dafür nötigen Kunstfertigkeit und unter Gefährdung der eigenen Gesundheit. Fischer war eher dort, wo gerade keiner war, weil es da nichts Aufregendes zu sehen gab - und von wo er doch aufregende Geschichten mitbrachte.
Zuletzt stellte er sich in Rio de Janeiro wochenlang buchstäblich vor die verschlossene Tür des Bossa-Nova-Gottes João Gilberto, der sich seit endlosen Zeiten vor der Welt versteckt. Auch Fischer wurde von Gilberto nicht hineingelassen, aber das bedeutet ja nicht, dass man darüber nicht dringend ein Buch schreiben müsste. Hobalala heißt es und erscheint in ein paar Wochen. Noch einmal wird dieser einzigartige Sound erklingen, und am Ende, nach den letzten tanzenden Worten, wird er verstummen, für immer. Am Samstag ist Marc Fischer im Alter von 40 Jahren in Berlin gestorben.