ZDF-Doku:Ein Leben für die Kundschaft

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Seit Jahrzehnten unzertrennlich: Heino, Sonnenbrille und Gitarre. (Foto: ZDF und Privatbesitz Heino)

Heino wird diesen Donnerstag 80 - und bekommt vorab einen Film geschenkt, für den er sich bei den Autoren nur bedanken kann. Kontroverse Details seiner Karriere werden allenfalls gestreift.

Von David Denk

Damit das gleich klar ist: Selbst 45 Minuten auf einem Heino-Konzert können sich unmöglich zäher anfühlen als diese ranschmeißerische, liebedienerische und bestenfalls pseudo-kritische Doku, die das ZDF dem Sänger vorab zu seinem 80. Geburtstag diesen Donnerstag schenkt.

Mensch Heino! Der Sänger und die Deutschen ist fast vorbei, als dann doch noch ein wahrer Satz über den Jubilar fällt: "Er ist vor allem Interpret", sagt Off-Sprecher Philipp Moog, "singt seit jeher die Lieder anderer" - ob Volkslieder mit NS-Vorleben oder Rammstein-Songs. Hier wird benannt, was Heino stets ausgezeichnet hat: die Abwesenheit von Haltung, Gestaltungswillen und Geschmack.

Heinos erstes Akkordeon wird zum "Geschenk, das seinem Leben eine neue Richtung geben wird"

Heino ist kein Künstler, sondern Verkäufer. Zu Beginn des Films hat er erzählt, wie sein Produzent ihm immer geraten habe, auf sein Bankkonto zu schauen. "Dann wirst du sehen, dass du alles richtig gemacht hast", zitiert er ihn. Und sagt, als er über seine Anfänge als Sänger spricht: "Welcher Titel oder welche Musik war mir im Grunde wurscht." Offenbar war da nur ein Antrieb, ein Ziel: erfolgreich zu sein, reich zu werden. Stolz erzählt Heino, in Deutschland mehr Tonträger verkauft zu haben "wie die Beatles". Heino ist fest davon überzeugt, dass sein Erfolg ihm recht gibt und Kritiker Lügen straft. Seine Fans, das seien ja "im Grunde genommen meine Kunden", sagt er. Und in dem Deutschland, für das Heino steht, ist der Kunde noch König. Gemäß dieser Logik hat auch absolut nichts dagegen gesprochen, zu Zeiten der Apartheid in Südafrika zu spielen - aber eben auch nur gemäß dieser Logik.

Der Doku der Autoren Jörg Müllner und Thomas Lischak gelingt das Kunststück, kontroverse Details wie dieses pflichtschuldig zu erwähnen und sie sogleich wieder in einem rührseligen Brei aus Archivmaterial, Reenactments, Fahrstuhlmusik und Interviews (Roberto Blanco! Ein Historiker!) verschwinden zu lassen, um dem ZDF-Publikum "seinen" Heino nicht madig zu machen. Off-Sprecher Philipp Moog, die Synchronstimme von Ewan McGregor, machen sie zu ihrem Komplizen, der über Heinos Kindheit im zerbombten Düsseldorf mit Hollywood-Zuckerguss-Timbre Sätze sagen muss wie: "Allen Entbehrungen zum Trotz: Die Familie hält zusammen. Mutter Franziska verdient als Putzfrau nur wenig. Dennoch erfüllt sie Heinos größten Wunsch": Es ist natürlich nicht irgend ein Akkordeon, das Heino 1948 bekommt, nein, "ein Geschenk, das seinem Leben eine neue Richtung geben wird." Wohlgemerkt ist Heino da zehn, also eher noch nicht im Alter für radikale Umbrüche.

Dem Film ist jedes Mittel recht, um seinen Mangel an Haltung bedeutungsschwer klingen zu lassen - sei es durch aufgeworfene, aber nicht beantwortete Entweder-Oder-Fragen ("Ist Heino geschichtsvergessen oder einfach nur unverkrampft im Umgang mit der Vergangenheit?") oder ein - hüstel - Füllhorn an Plattitüden: "Ohne Allüren" sei dieser Heino, "ein Star zum Anfassen", dessen "Herz noch immer für die Volksmusik schlägt", an dem sich aber auch "die Geister scheiden".

Wäre nicht gerade erst Heinos Abschiedsalbum "und Tschüss" erschienen, hätte das auch mal einen schönen Titel hergegeben: die schönsten Plattitüden Deutschlands. Heino könnte - und würde das bei stimmigen Konditionen wohl auch - singen wie kein Zweiter.

Mensch Heino!, ZDF, 20.15 Uhr.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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