US-Kultserie "Desperate Housewives":Mörderischer Abschied

Sie zogen das Unheil an wie Mist die Fliegen: Im Serienfinale von "Desperate Housewives" auf Pro Sieben gaben sich vier Frauen ein letztes Mal die Ehre, deren Leben kein normaler Mensch verkraftet hätte. Die dramatischen Schicksale der Hausfrauen aus der Wisteria Lane.

Deniz Aykanat

1 / 7
(Foto: picture-alliance/ dpa)

Sie zogen das Unheil an wie Mist die Fliegen: Im Serienfinale von "Desperate Housewives" auf Pro Sieben gaben sich vier Frauen ein letztes Mal die Ehre, deren Leben kein normaler Mensch verkraftet hätte. Die dramatischen Schicksale der Hausfrauen aus der Wisteria Lane. Als "Desperate Housewives" 2005 ins deutsche Fernsehen kam, dachten viele zunächst, es handle sich hier um ein zweites "Sex and the City". Das Alter, das Aussehen, die Verteilung der Haarfarben - alles schien zu passen. Doch es sollte anders kommen: Bereits in der ersten Staffel drehte sich im beschaulich wirkenden Fairview alles um einen Mord, um eine Leiche, die unter einem Swimmingpool eingezimmert worden war und um ein dichtes Netz aus Lügen, das sich erst in der letzten Folge der Staffel vollkommen aufklären sollte. Die Hausfrauen setzten auf Geheimnisse, Tote und Intrigen statt auf Highheels und Cosmopolitans, der Reiz lag dabei in der grandiosen Überzeichnung - so abgedreht kann kein reales Schicksal sein.

US-Kultserie "Desperate Housewives"

Susan

2 / 7
(Foto: imago stock&people)

Geradezu harmlos im Gegensatz zu ihren Nachbarinnen: Susan Meyer, gespielt von Teri Hatcher, die lange Zeit lediglich durch ihre Tollpatschigkeit und hohe Katastrophenaffinität auffiel. Beinahe in jeder Folge lag die dürre Brünette entweder nackt im Gebüsch eines Nachbarn, verbrannte Käsemakkaroni oder auch mal ein ganzes Haus. Ihr Lebenslauf glich einem Spießrutenlauf auf der Flucht vor dem Sensenmann - und natürlich auf der Suche nach der großen Liebe. Das tatsächliche Drama nahm seinen Anfang, als der attraktive Klempner Mike Delfino (James Denton) in die Wisteria Lane zog: Susan, deren erster Mann sie für seine Sekretärin hatte sitzen lassen, fühlte sich nach einer angemessenen Zeit der Trennungstrauer sehr zu dem neuen Nachbarn hingezogen. Es begann ein ebenso erbitterter (für Susan) wie amüsanter (für den Zuschauer) Wettstreit mit dem "blonden Gift" Edie Britt - einer benachbarten Hausfrau, die ebenfalls Gefallen an Mike gefunden hatte. Edie blieb nicht die einzige Nebenbuhlerin, weshalb Susan ständig um ihren Angebeteten zu kämpfen schien. Eine Karriere als erotische Putzfrau, einen Mord, ein paar Trennungen und etliche Peinlichkeiten später wurde Susan endlich glücklich mit ihrem Liebsten - bis er kurze Zeit später von der Mafia erschossen wurde.

US-Kultserie "Desperate Housewives"

Lynette

3 / 7
(Foto: REUTERS)

Ein anderes Kaliber ist da Lynette Scavo. Ihr höchstes Glück und gleichzeitig größtes Pech waren ihre fünf Kinder, von denen zwei unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ADS litten - zumindest war es nur bei zweien nachgewiesen. Die Pillen für die hyperaktiven Kids schluckte Lynette allerdings lieber selbst, dann ging das mit dem Faschingskostüme-Basteln und dem Geschirrspülen gleich viel leichter. Blöd nur, dass das Zeug abhängig machte. Die resolute Hausfrau, gespielt von Felicity Huffmann, und ihr Mann mussten sich etwas anderes einfallen lassen - schließlich wollte sie sich gerne auch außerhalb des Haushalts verwirklichen. Was kam, war ein Rollentausch: Ex-Karrierefrau Lynette arbeitete wieder in ihrem früheren Job in der Werbebranche. Tom, gespielt von Doug Savant (bekannt durch die Serie "Melrose Place"), hütete die Kinder. Verglichen mit den anderen Serien-Charakteren kam Lynette in ihrer Kindheit und Jugend erheblich besser weg, mal abgesehen von einer höchst neurotischen Mutter. Dafür beutelte sie das Leben anschließend umso mehr: Der Traum von der eigenen Pizzeria endete fast in der Pleite, Lynette wurde schwanger, wurde wieder schwanger mit Zwillingen, verlor ein Kind, wurde angeschossen, nahm Toms uneheliches Kind, das bei einem One-Night-Stand gezeugt wurde, bei sich auf und bekam schließlich Krebs, gegen den sie jedoch energisch ankämpfte. Abwechselnd verfielen Tom und Lynette in die Midlife-Crisis, was dazu führte, dass sie sich trennten und dann selbstverständlich wieder zusammenkamen. Angereichert wurde das Ganze durch einen Serienkiller, den die Scavos aus Versehen bei sich wohnen ließen, Toms Depressionen und Sohn Preston, der eine Prostituierte vom Europa-Trip mit nach Hause brachte.

US-Kultserie "Desperate Housewives"

Gaby

4 / 7
(Foto: REUTERS)

Während Susan und Lynette als Charaktere für die Durchschnitts-Zuschauerin vielleicht noch ansatzweise normal wirken konnten, wurde es bei Gabrielle Solis (Eva Longoria) nochmal abgehobener. Margaritas am Nachmittag, Angestellte zum Herumkommandieren, Sex mit dem Gärtner: Gaby, wie sie von ihren Freundinnen genannt wurde, verkörperte das Klischee der reichen, gelangweilten Gattin. Sie trippelte auf ihren sündteuren High Heels durch den Vorgarten, widmete sich allerlei Nichtigkeiten wie Maniküre, Pediküre, Maniküre und wieder Pediküre und zerbrach sich den Kopf darüber, ob sie alle Einkäufe in den Kofferraum ihres Sportwagens bekommen würde. Gaby hatte es von Beginn an nicht leicht: Als Teenager vom Stiefvater missbraucht und von der eigenen Mutter ignoriert, floh sie ohne einen Cent nach New York und begann eine erfolgreiche Model-Karriere. Dort lernte sie den reichen Carlos kennen. Die beiden heirateten und zogen in die Wisteria Lane, wo das kleine Energiebündel fortan vernachlässigt vor sich hin lebte, während Carlos die für ihren Lebensstil nötige Kohle ranschaffte. Ein Toy-Boy - in diesem Fall der junge Gärtner - für ein bisschen Zerstreuung war schnell gefunden. Doch irgendwann ging es abwärts: Carlos landete wegen krimineller Machenschaften im Knast, Gabrielle half ihm wieder heraus. Statt Dank zu zeigen, mutierte der Gatte nach dem Gefängnis zum Super-Christen - auch wegen einer überambitionierten Nonne, die ihr Keuschheitsgelübte für ihn offensichtlich ohne Not gebrochen hätte. Gabrielle sorgte dafür, dass die Nebenbuhlerin nach Alaska versetzt wurde, lieferte sich mit ihr zuvor allerdings noch einen Prügel-Showdown in einer Kirche. Anschließend plante sie, das Kind einer Stripperin zu adoptieren - die das Kind dann aber doch lieber selbst behalten wollte. Auch die Idee, die chinesische Haushälterin als Leihmutter zu engagieren, scheiterte an Carlos Untreue und an der Unfähigkeit der Ärzte, den richtigen Embryo einzupflanzen. Und damit der Dramen nicht genug: Es folgte die Scheidung von Carlos und die Heirat mit einem selbstsüchtigen Politiker. Wie gut, dass ein Tornado das Ekel aus Gabrielles Leben blies, so war der Weg frei, um wieder Carlos' Frau zu werden. Irgendwann klappte es auch mit den Kindern, alles hätte so schön sein können - hätte Carlos Gabys Stiefvater nicht mit einem Kerzenständer erschlagen. Der schuldbewusste Täter verfiel dem Alkoholismus und entschied, nachdem er wieder clean war, sein Leben zum Positiven zu verändern - für Gaby die reine Katastrophe.

US-Kultserie "Desperate Housewives"

Bree

5 / 7
(Foto: imago stock&people)

Marcia Cross in der Rolle der schießwütigen Bree van de Kamp hatte in der Serie wohl am meisten zu kämpfen. Über die pedantische Hausfrau brach derart viel Unheil herein, dass Bruce Willis' Erlebnisse in "Stirb langsam" dagegen wie ein Kinderspiel wirken. Da halfen auch Brees Waffenschein, ihre Gottesfürchtigkeit und ihr Perfektionismus nicht weiter. Als Bree zehn Jahre alt war, wurde ihre Mutter von einem Truck überfahren. Nachdem sie das Blut mit einem Gartenschlauch von der Straße gespült hatte, fühlte sie sich gleich viel besser. Diese sich zur handfesten Putzneurose ausweitende Übersprungshandlung begleitete Bree ihr gesamtes Erwachsenenleben. Auch mehrere kurze Episoden als Quartalssäuferin hielten Bree nicht davon ab, täglich Mob und Staubwedel zu schwingen. Doch was nach außen hin immer wie geleckt und poliert aussah, hatte einen verkommenen Kern: Brees Ehemann Rex lebte seine Sadomaso-Wünsche heimlich mit Prostituierten aus, wurde anschließend von einem Apotheker um die Ecke gebracht, der närrisch verliebt in Bree war. Zur Strafe ließ Bree den Apotheker sterben. Alle Probleme schienen damit zunächst beseitigt, wäre da nicht noch Brees Brut gewesen. Die Tochter schleppte einen Kriminellen an, der Bree ausrauben wollte, dann jedoch von der Polizei erschossen wurde. Noch viel schlimmer für die erzkonservative Republikanerin Bree: Ihr Sohn outete sich als schwul. Fast permanent wurde der rothaarige Putzteufel während der acht Staffeln erpresst, gestalkt und bedroht: sei es vom Apotheker, vom eigenen Sohn, vom Ehemann, vom Ex-Ehemann oder von ihrem Polizisten-Ex-Freund, der dummerweise gerade in dem Mordfall ermittelte, den Bree zu vertuschen versuchte. Das Leben ist aber auch nicht einfach. Zwischendurch hielt sie die Teenagerschwangerschaft ihrer Tochter vor den Nachbarn geheim, indem sie das Baby für ihr eigenes ausgab, begann eine Affäre mit dem Exmann ihrer guten Freundin Susan und schaffte sich einen jungen Lover an. Die meisten Probleme ließen sich jedoch dankenswerterweise durch Autounfälle, Flugzeugabstürze und Tornados aus der Welt schaffen.

6 / 7
(Foto: N/A)

Eine Hausfrau, die in der fünften Staffel leider das Zeitliche segnete und das Ende nicht mehr miterleben darf, war Immobilienmaklerin Edie Britt, gespielt von Nicolette Sheridan, auch bekannt als fleischgewordener Ehefrauen-Schreck. Durchtrieben, gemein, egomanisch, männermordend - die Reihe ließe sich bis ins Unendliche weiterführen. "Desperate Housewives"-Produzent Marc Cherry hatte den Charakter der Edie Britt als einen intervenierenden Faktor konzipiert, der zum  Einsatz kommen sollte, sobald es den anderen Damen zu gut ging. Das Konzept ist in der Tat aufgegangen: Edie schlief mit nahezu jedem vergebenen und nicht vergebenen Mann in der Straße, brannte aus Rache das Haus ihrer Nachbarin Susan ab, erpresste die halbe Ortschaft, täuschte einen Selbstmord vor und machte dem aus dem Koma erwachten Mike weis, dass sie seine Freundin sei. Nur ab und an glimmte der Funke des Menschlichen oder gar Moralischen in Edie auf, als sie sich beispielsweise in Gabrielles Mann Carlos verliebte oder Mike vor ihrem eigenen Ehemann warnen wollte. Letztlich wurde ihr genau dies aber zum Verhängnis: Auf der Flucht vor ihrem Mann starb Edie bei einem Autounfall. In den kommenden Staffeln nahmen wechselnde Frauen ihren Platz ein - so etwa die psychisch instabile Katherine Mayfair, die schließlich in die geschlossene Anstalt eingeliefert wurde. An Edie konnte jedoch keine von ihnen heranreichen.

7 / 7
(Foto: imago stock&people)

Die Bilanz nach acht Staffeln: Die "Housewives"-Darstellerinnen sind Weltstars und verfügen allesamt über hochdotierte Werbeverträge - und eigene Barbie-Figuren. Ihre Serien-Alter-Egos haben mit ihren kuriosen Schicksalen Fernsehgeschichte geschrieben. Und: Mit Liebe und Intrige lässt sich ordentlich Quote machen - auch wenn das in Zeiten von "Homeland", "Mad Men" und "The Big Bang Theory" wohl anders geschehen muss, als es bei den verzweifelten Hausfrauen der Fall war. Denn gerade bei den letzten zehn Folgen, die auf Pro Sieben ausgestrahlt wurden, zeigte sich, wie stark die Zahl der Fans mit den Jahren geschrumpft war: Etwas über eine Million der werberelevanten 14- bis 49-Jährigen sahen zu. Das entsprach mittelmäßigen Marktanteilen von etwas über zehn Prozent. So aufregend das Leben in der Wisteria Lane bis zum Ende verlief - ihr Ende fasziniert nicht mehr ganz so viele.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: