Streamingserie:Gegen die Regeln

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Verherrlichung von Linksradikalismus? Netflix zeigt eine umstrittene Serie nach dem Romanklassiker "Die Welle" - in der vom Original nicht viel übrig ist.

Von Maresa Sedlmeir

Den Roman "Die Welle" von Morton Rhue kennen viele aus der Schule, 2008 kam der Film von Dennis Gansel mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle in die Kinos. Es geht um das außer Kontrolle geratene Schulexperiment zum Faschismus. Für die Netflix-Serie Wir sind die Welle hat Gansel sich den Stoff nun noch einmal vorgenommen, gemeinsam mit seinem damaligen Co-Autor Peter Thorwart - und dabei haben sie sich weit von ihrem Erfolgsfilm entfernt.

In den sechs Folgen sind Lehrer höchstens nervige Randfiguren. Hier dreht sich alles um Tristan, gespielt von Ludwig Simon, der neu an der Schule ist. Er beeindruckt in Jogginghosen, mit lässigem Lächeln und perfektem Arabisch. Besonders cool finden ihn Lea (genervt vom Tennisspielen und ihren Markenklamotten), Zazie (genervt von mobbenden Mitschülern und SUVs), Rahim (genervt von Nazis und Gentrifizierung) und Hagen (genervt von Geschäftsmännern, aber vor allem von seiner eigenen Schüchternheit).

Fünf Teenager, die sich radikalisieren: „Wir sind die Welle“ ist ein diskussionswürdiger Sechsteiler. (Foto: Bernd Spauke/dpa)

Die fünf schließen sich zu einer Clique namens "Die Welle" zusammen, die gegen gesellschaftliche Missstände vorgehen will. Einmal rennen sie in Plastik eingepackt in einen Supermarkt. Tristan verkündet: "Meine Damen und Herren, was Sie hier sehen, ist der Plastikmüll, den jeder von Ihnen innerhalb nur einer Woche verursacht." Und Rahim: "Denken Sie mal drüber nach" - dann tanzen sie jubelnd durch die Reihen, bunte Plastikvögel, die "Scheiß Plastik" schreien, der Song "Plastik" von Jan Delay aus dem Jahr 2006 läuft im Hintergrund - Botschaft angekommen. Zwar erinnert das an "Fridays for Future", aber in der Serie (Regie: Anca Miruna Lăzărescu und Mark Monheim) sind die Jugendlichen deutlich radikaler. Und ihre Aktionen dermaßen ungeplant und von Handlungsleerlauf unterbrochen, dass man sie irgendwann nicht mehr ernst nehmen kann und nicht mehr mitfiebert - obwohl alle fünf Hauptdarsteller und Hauptdarstellerinnen überzeugen. Allen voran Luise Befort als Lea und Ludwig Simon als Tristan. Ihre heimlichen Blicke, die unauffälligen Berührungen, das erste große Verliebtsein.

Bereits vor der Veröffentlichung hatte die Serie mit einer Szene aus dem Trailer Kritik kassiert: Die Clique will eine Veranstaltung der Partei NfD, deren Logo stark an das der AfD erinnert, sabotieren. Wie bei jeder ihrer Aktionen tragen die Jugendlichen Perücken und Verkleidungen, diesmal: Blusen und Brillen. Nach dem Trailer wurde der Vorwurf laut, die Serie könnte Linksradikalismus verherrlichen. Das tut sie keinesfalls. Die Mitglieder der "Welle" hinterfragen immer mehr, was sie da eigentlich tun.

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Wir sind die Welle , auf Netflix.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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