Spielfilm:Roadmovie durchs EU-Grenzgebiet

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In "Zielfahnder - Flucht in die Karpaten" schickt Regisseur Dominik Graf zwei deutsche Polizisten in die rumänische Provinz. Herausgekommen ist mehr ein Abenteuerfilm denn ein klassischer Krimi.

Von David Steinitz

Der ideale Ausweg aus der deutschen Beamtenblödelei, mit der viele TV-Krimis ihre Zuschauer sedieren, ist die Konfrontation der preußischen Polizeimoral mit einem vollkommen fremden Kulturkreis. In Dominik Grafs Spielfilm Zielfahnder - Flucht in die Karpaten, der mehr ein Abenteuerfilm denn ein klassischer Krimi geworden ist, müssen zwei Beamte aus Düsseldorf auf Verfolgungsjagd nach Rumänien. Und das stellt für ihre nordrhein-westfälischen Ermittlertugenden eine ordentliche Belastungsprobe dar. Ein rumänischer Häftling ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und flieht von Deutschland nach Polen und schließlich in seine Heimat. Peinlich fürs deutsche Justizsystem, Justiz- und Innenminister sind stinksauer - vor allem, weil der Mann bereits zum zweiten Mal entwischen konnte.

Die Zielfahnder Hanna (Ulrike C. Tscharre) und Sven (Ronald Zehrfeld) müssen den Gewaltverbrecher nun von Bukarest bis ins tiefe rumänische Hinterland in den Karpaten jagen, wo er sich im unwirtlichen Gebirgslabyrinth versteckt. Die beiden gehören zu einer Sondereinheit des Landeskriminalamts, die auch auf Operationen im Ausland spezialisiert ist. Aber die Polizeikollegen in Bukarest und die Bewohner in der rumänischen Provinz sind schon eine besondere Herausforderung, weil sie die deutschen Ermittlungsbedürfnisse mit stoischer Gelassenheit und Feierlust torpedieren. Wozu ein biederes Verhör, wenn man auch miteinander Schnaps trinken kann? Und weil die beiden Kommissare ihrem Beruf gemäß ohnehin ein desolates Privatleben führen, können ein paar Stamperl ȚŢuică ohnehin nicht schaden.

Recherchereisen verschaffen Rolf Basedows Drehbüchern eine im Fernsehen rare Lebendigkeit

Geschrieben hat dieses tragikomische Roadmovie durchs EU-Grenzgebiet der Drehbuchautor Rolf Basedow, der schon mehrfach mit Regisseur Dominik Graf zusammengearbeitet hat. Gemeinsam haben sie den Zuhälterkrimi Hotte im Paradies und die Russenmafia-Serie Im Angesicht des Verbrechens gemacht. Basedow hat einen recht journalistischen Ansatz beim Arbeiten, er setzt vor allem auf Recherche vor Ort. Wenn er über Zuhälter schreibt, setzt er sich mit Zuhältern zusammen, bis er genug Material hat; wenn er über die Mafia schreibt, zieht es ihn in den Berliner Gangsteruntergrund, bevor er sich an den Computer setzt. Und so ist er jetzt auch bei Flucht in die Karpaten vorgegangen. Nach ausführlichen Gesprächen mit echten Zielfahndern bei BKA und LKA zog er gemeinsam mit einem Dolmetscher durch Rumänien, besuchte zum Beispiel eine traditionelle Hochzeit in Siebenbürgen, das Notizbuch immer in der Hand.

Diese Recherchereisen verschaffen seinen Geschichten einen Detailreichtum und eine Lebendigkeit, die sich andere Autoren in ihren Schreibstuben gern zum Vorbild nehmen dürften. Die rumänische Hochzeit zum Beispiel, die Basedow besucht hat, mit all ihren traditionellen Ritualen, den landestypischen Balztänzen und Trinkspielchen, sie bildet nun, sanft fiktionalisiert, den Höhepunkt seiner schrägen Verbrecherjagd. Wie hier die Kulturen aufeinanderprallen, erst konfrontativ, dann versöhnlich, verhindert schon grundsätzlich, dass sich der Autor in der dramaturgischen Klischeekiste bedienen könnte.

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Produziert wurde Flucht in die Karpaten von den Münchner Produzenten Max Wiedemann und Quirin Berg, die sich seit ihrem Oscar-Gewinner Das Leben der anderen von 2006 nicht nur im Kino, sondern auch im deutschen Fernsehen zu einer veritablen Größe entwickelt haben. Was vor allem daran liegt, dass sie innerhalb traditioneller Formate kleinere bis größere Genreexperimente ausprobieren, die nicht nur beim klassischen Publikum gut ankommen, sondern darüber hinaus auch neue, vor allem jüngere Zuschauer anziehen. Ein Beispiel dafür ist der überdrehte Weimarer Slapstick- Tatort mit Nora Tschirner und Christian Ulmen.

Auch Flucht in die Karpaten ist für diese Arbeitsweise beispielhaft, weil sie mit einem etablierten Filmemacher-Team wie Dominik Graf und Rolf Basedow, die schon immer mehr an Subversion denn an Tradition interessiert waren, das klassische Krimiformat weiter aufbrechen. Weshalb der Film auch nicht mit einer biederen Verfolgungsjagd durchs deutsche Städtegrau endet, sondern von Dominik Graf als Western-Showdown in der zerfurchten rumänischen Berglandschaft inszeniert wird. Ein gefährlicher Frontierbereich für deutsche Ermittler.

Zielfahnder - Flucht in die Karpaten , ARD, Samstag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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