Spielfilm:Mit Buntstift zum Erfolg

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Die künftige Chefin Ottilie von Faber-Castell (Kristin Suckow) lernt die Geschäfte von Grund auf – und setzt sich bald mit Expertise durch. (Foto: Martin Spelda/ARD Degeto)

Ein ARD-Historienfilm erzählt das Leben Ottilie von Faber-Castells - und lässt sich auf heutige Debatten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf übertragen.

Von Clara Lipkowski

Franken, Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, in der schon erste Autos fahren, aber auch noch Pferdekutschen, der Krieg ist weit weg, und das Patriarchat zwängt Frauen ins Korsett. Die schöne und reiche Ottilie geht, wie es sich gehört, in eine Mädchenschule, um später einen standesgemäßen Mann zu heiraten, ihm Kinder zu gebären. Möglichst Jungen, damit die Familienlinie erhalten bleibt. Doch 1893, mit 16 Jahren, wird sie überraschend Halbwaise. Mit dem Tod ihres Vaters gerät das Unternehmen der Familie ins Wanken: Wer übernimmt die Geschäfte, wenn der Großvater und oberste Patriarch einmal das Zeitliche segnet? Ottilie.

Sie bricht die Schule ab und beginnt eine Lehre in der Firma ihrer Familie. Produktion, Vertrieb, Buchhaltung. Die Firma ihrer Familie, das ist jenes Unternehmen, das bis heute vor allem für seine Blei- und Buntstifte bekannt ist: Faber-Castell. Das Leben der realen Ottilie (1877 - 1944) ist die Grundlage des Spielfilms Ottilie von Faber-Castell - eine mutige Frau. Ganze drei Stunden lang zeichnet er die Geschichte dieser Frau (gespielt von Kristin Suckow) nach und das, ohne Längen zu haben. Wer sich auf diese opulent kostümierte Welt einlässt, kann Spaß haben mit diesem Film. Wer aber wegen des Titels auf eine berufliche Erfolgsstory hofft, liegt falsch. Es geht nur zu Beginn darum, wie Ottilie sich in Altherrenrunden mit Expertise und Machtworten durchsetzt. Sie wird zumindest vordergründig respektiert, aber nur, bis sie verheiratet ist und schwanger wird. Dann verlagert sich der Film aus Firmenräumen zu Landpartien und in Schlosszimmer.

Ottilies Konflikt lässt sich dennoch auf aktuelle Debatten zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf übertragen - und so ist der Film von der Drehbuchautorin und Regisseurin Claudia Garde mehr als ein Historienstreifen. Ottilie erscheint überraschend, da eigentlich noch im Wochenbett, bei einer Direktorenversammlung. Ihrem Mann zischt sie zu: "Schau nicht so böse." An einer anderen Stelle verlangt sie Inventurbücher. "Spiel dich nicht auf", sagt er. Ottilie darauf genüsslich: "Ich habe Buchhaltung studiert, im Gegensatz zu dir."

Spannend macht den Film, dass er auch Männer im Konflikt mit Geschlechterrollen zeigt. Graf Philipp von Brand zu Neidstein, gespielt von Hannes Wegener, zum Beispiel quittiert den Militärdienst und wird Vater. Seine Freunde verhöhnen ihn deshalb als Pazifisten, er selbst fühlt sich als "Schmarotzer". Oder Ottilies Ehemann, Alexander (Johannes Zirner). Hinter ihrem Rücken sichert er sich die Macht in der Firma, Ottilie dagegen wird fünfmal schwanger und fehlt oft - was er später als Problem erkennt.

Die Münchner Autorin Asta Scheib hat 1998 einen biografischen Roman über Ottilie veröffentlicht, und dieser diente Claudia Garde als Grundlage für ihren Film. Die Eckdaten stimmten, erzählt Garde auf Anfrage, der Schulabbruch, der Einstieg in die Firma, später der Bruch mit der Familie, außerdem die Scheidung von Alexander, damals ein gesellschaftliches Tabu. Aber weil es nur wenige Tagebucheinträge und Briefe aus jener Zeit gibt, sei auch ein großer Teil Fiktion. Der Bogen des Lebens von Ottile von Faber-Castell ist elegant gespannt, garniert mit ein wenig theatralisch erzählten Liebesgeschichten.

Kristin Suckow spielt Ottilie von der 16-Jährigen bis zur erwachsenen Frau überzeugend und das besonders, je verdrossener Ottilie wird. Den glänzendsten Auftritt hat Martin Wuttke gleich zu Beginn: Dem Firmenpatriarchen, der seine Enkelin protegiert, hätte man gerne noch länger zugesehen.

Ottilie von Faber-Caste ll - eine mutige Frau . Das Erste, Samstag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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